Sicherheit in der Unsicherheit - Mit OKR's Organisation führen
In unserer vernetzten Welt haben wir komplexe und fragile Systeme geschaffen, ein Virus in der Größe einer Mikrofaser kann die gesamte Welt lahm legen. Kurzarbeit oder drohende Pleitewellen, Verunsicherung und Ungewissheit wohin man schaut. Teams treffen sich nicht mehr in gewohnten Besprechungen, werden durch online Kommunikationen ersetzt. Gleichzeitig müssen aber in vielen Bereichen neue Geschäftsmodelle oder Produkte entwickelt werden.
Führungskräfte müssen gerade jetzt in Krisenzeiten nicht nur Dinge richtig tun, sondern auch die richtigen Dinge zu tun. Das kann sich aber gerade in Krisenzeiten rasch ändern, daher benötigen Führungskräfte flexible und agile Steuerungsinstrumente.
Flexible und agile Steuerungsinstrumente
Wenn man diese noch nicht eingeführt hat, kann das jetzt als Bumerang zurückkommen. Ebenso wie die Einführung von kollaborativen Tools, agilen Arbeitsstrukturen oder (wie im Handel die Einführung) von Onlineshops. Darüber hinaus zeigt sich gerade, ob eine Organisation oder Unternehmen eine Unternehmenskultur entwickelt hat, in welcher autonomes Arbeiten, Eigenverantwortung, Transparenz und Ergebnisorientierung gelebt wird. Dann ist die Umstellung in Homeoffice kein Problem, ohne Ineffizienzen oder Produktivitätsverlust.
Starre Organisationen kommen an ihre Grenzen
Aus diesem Grund kommen starre Organisationen an ihre Grenzen, weil es für mobiles und autonomes Arbeiten keine gute Grundlage gibt. Diese Form der Arbeit erfordert eine Menge an Autonomie, Kreativität und Eigenverantwortung im Mindset.
Gleichzeitig möchte die Unternehmensführung die kreative Energie „auf die Straße bringen“, einen messbaren Output leisten, ohne dabei das autonome, kreative Arbeiten zu sehr einzuschränken.
Ein schwieriges Unterfangen, aber nicht unmöglich.
Wie funktioniert Kommunikation und Unternehmenssteuerung in starren Strukturen?
Der Klassiker für die interne Kommunikation ist das Mail, nach wie vor verschwenderisch eingesetzt, mit den leidigen „cc“ Nutzungen Quelle von zahllosen Missverständnissen. Dazu gesellen sich die anderen gewohnten und bekannten Evergreens wie Besprechungen oder Meetings, oft „aufgepäppelt“ als Review Meetings, steering comittes oder schlichtweg Sitzungen.
Egal welche Namen verwendet werden, am Ende des Tages geht es immer den Austausch von Informationen, der für die meisten Beteiligten Quelle für Zeitraub und damit Frustration ist. Ganz einfach auch deshalb, weil diese Instrumente undiszipliniert verzweckt werden, für die eigene Selbstdarstellung, Manipulation anderer, Bühne für Vielredner und letztlich es oft nie um Ergebnisse geht. Das ist nun Schlag auf Schlag anders geworden, es gibt keine live Besprechungen mehr, wenn dann nur mehr per Video. Genau da muss man aber sehr diszipliniert sein, sonst funktioniert es nicht.
Steuerung mit KPI‘s
Für die Steuerung wurde in den letzten Jahren oft die sogenannten KPI (Key Performance Indikators – Leistungsindikatoren), basierend den von Peter Drucker entwickelten „Management by Objectives“. Diese werden in der Regel von oben nach unten aufgesetzt, eine Ansammlung von trockenen, emotionslosen Zielen, Daten und Tabellen. Diese sind meistens sehr starr und unflexibel, weil sie langfristig ausgerichtet sind. Sie gleichen meistens einem Diktat, von oben nach unten ausgerichtet auf das Mittelmanagement und auf Mitarbeiterebene aufgesetzt. Kraft und emotionslos, vor allem oft ohne Einbindung von den MitarbeiterInnen, dienen sie vor allem als Kontrolle. Das Ergebnis ist immer gleich, die ein Ergebnis gleich haben: Frustration. KPI’s waren in den letzten Jahrzehnten zwar ausreichend, sind es aber nicht mehr, wenn Arbeit neu definiert wird.
Objective Key Results (OKR) – die Wunderwaffe
Aus dieser Frustration haben in den letzten Jahren im Silicon Valley ManagerInnen überlegt, wie sie ein bewegliches, motivierendes und autonomes Steuerungssystem entwickeln können. Das Ergebnis dieser Überlegungen sind die sogenannten OKR - Objective Key Results, auch bekannt als die Wunderwaffe von Google und allen supererfolgreichen Start Ups.
Die Geschichte der OKRs
Andy Grove (Andreas Grof) musste zuerst von den Nazis dann vor den Kommunisten in den 50er Jahren flüchten, immigrierte nach dem Ungarn Aufstand 1956 in die USA und begann bei Intel zu arbeiten. Andy Grove wird als einer Gründerväter der Silicon Valley Erfolgsgeschichte angesehen, sein Buch „High Performance Management“ aus dem Jahre 1995 stellte die Frage in den Mittelpunkt, wie Ergebnisse und Resultate gemessen werden können.
In den 90er Jahren brachte John Doerr, ein Berater und Freund von Grove, die Methode zu Google. Er definierte Objectives and Key Results als „eine Management-Methode, die hilft, alle Aktivitäten in einer Organisation auf die gleichen, wichtigsten Ziele zu fokussieren“. Seit 1999 nutzt Google das Konzept, um quartalsweise Ziele und Prioritäten festzulegen. Seitdem erfreut sich das OKR Modell bei Startups, Konzernen und Unternehmen unterschiedlicher Größe großer Beliebtheit.
Was ist die Grundphilosophie von OKR?
Als Manager überlegten, wie man ein Steuerungssystem im Unternehmen entwickelt, das sich nur auf Resultate konzentrierte, hatten sie folgende Vorgaben:
Es musste einfach, flexibel, transparent sein, die Mitarbeiter sollten in den Prozess der Strategieentwicklung und -umsetzung einbezogen werden.
Als zentralen Schlüssel hierzu waren simple Fragen, die in Unternehmen von jedem zu beantworten sind:
„Was will ich erreichen?“ (Objectives)
„Wie messe ich, ob ich mein Ziel erreicht habe?“ (Key Results).
Die „Objectives“ beschreiben das „Was“, das zu erreichen ist. Sie geben somit die Richtung vor, sollte ambitioniert, zugleich motivierend sein, als wünschenswerte Ergebnisse und Resultate des Tuns.
Die „Key Results“ hingegen beschreiben, „Wie“ diese objectives erreicht werden sollen. Diese Beschreibung erfolgt nicht in Form von Aktivitäten oder Geschäftigkeit, das Einzige was zählt sind messbaren Schlüsselergebnisse, messbare Zahlen die nur zwei Antwort zulassen – habe ich das Ziel erreicht oder nicht. Diese Ziele sind relativ kurzfristig, meistens quartalsweise, vor allem transparent und über die gesamte Organisation in die gemeinsame Ausrichtung
Wie funktionieren die OKRs in der Praxis?
OKR ist eine agiler Führungszugang, der vor allem die Autonomie in den Vordergrund stellt. Statt Ziele vorzugeben, entwickeln Teams ihre eigenen OKR wie sie die übergreifenden Ziele des Unternehmens unterstützen möchten (#Empowerment). Mit der OKR Methode kann man die Organisation nicht nur auf gemeinsame Ziele auszurichten (#Fokus), sondern die Autonomie der Mitarbeiter stärken. Das heißt, Maßnahmen müssen nicht zentral koordiniert werden, es müssen keine zuwiderlaufenden Interessen und Zielen moderiert werden. (#Koordination, #Transparenz).
Beispiele:
Angenommen das Objective, also das übergeordnete Ziel in einer Organisationen lautet: „Sicherstellen der Lieferzuverlässigkeit“, dann könnten vereinbarte Key Results sein:
1. Key Result: Erhöhung der Verfügbarkeit von Maschinen von 80 auf 90 Prozent
2. Key Result: Sicherstellung der Materialverfügbarkeit zu 100 Prozent
3. Key Result: Reduzierung des Rückstands bei bestätigten Terminen auf weniger als zwei Arbeitstage
4. Key Result: Einführung eines 8 Monate Forcasts.
Nur das was glasklar messbar ist, kann als key result herangezogen werden. Das verhindert politische Spiele, Ausreden oder klassische Wichtigmacher, die auf Grund ihrer manipulativen Fähigkeit so tun als ob, aber keine Ergebnisse bringen.
„Deliver results“ das ist was zählt, nicht Ankündigungen, Versprechungen oder Ausreden. Wenn key results nicht erreicht werden, dann wird gelernt, was mich davon abgehalten hat.
Als Google in 2008 seinen Chrome Browser launchte, war der Internet Explorer mit
einem Marktanteil von fast 70% der Platzhirsch. Der damalige Chrome-Manager und
heutige Google CEO Sundar Pichai setzte von Beginn an auf die Anwendung der OKR Methode.
Objective: Build the best web browser in the world
Key Result: 20 m user by the end of 2008
Jeder im Unternehmen kennt die OKR jedes anderen, alles kann verglichen werden
Durch OKR wird das menschliche Urbedürfnis nach Gestaltung in Organisationen möglich, jeder sieht seinen Beitrag zum Gesamtergebnis. Mitarbeiter sehen wie bei einem Handwerk das Ergebnis ihrer Anstrengungen, sie erleben eine Antwort auf das Wozu und Warum.
Wie OKR die Unternehmenskultur umsetzt
Die Entwicklung von OKRs sind nur möglich, wenn eine Unternehmenskultur mit lebendigen Missionen und Visionen im Unternehmensalltag sichtbar sind. Wenn eine Kultur entwickelt wurde, wo Ergebnisorientierung und autonomes Arbeiten gelebt werden. Wenn diese Basis gegeben ist, dann können fünf Ziele (Objectives) zum Beispiel für das kommende Quartal festgelegt werden, diese werden durch maximal vier Messgrößen (Key Results) festgelegt.
Sind auf der obersten Ebene fünf Objectives und jeweils maximal vier Key Results festgelegt, gilt es diese an die nächste Ebene zu kommunizieren und auf diese herunterzubrechen. Dabei gibt es keine Top-Down Vorgaben, vielmehr werden die Führungskräfte und ihre Mitarbeiter bzw. Teams in den Prozess eingebunden. Eine Faustregel der Methode lautet: Circa 60 Prozent der Ziele kommen von oben und circa 40 Prozent werden bottom-up definiert.
Die nächste Ebene definiert Ziele, von denen sie überzeugt ist, dass diese für das Erreichen des übergeordneten Ziels förderlich sind.
Dieser Prozess mündet in einer Art „Verhandlung“ zwischen der oberen und unteren Ebene, in der letztlich ein Agreement über die zum Beispiel im kommenden Quartal zu erreichenden Objectives und Key Results erzielt werden soll.
OKR’s ermöglichen Lernen und Entwicklung
Zum Beispiel jedes Quartal werden die Objectives and Key Results neu geplant. Vor Ende des ersten Quartals werden sie bereits die für das zweite Quartal definiert und finalisiert.
Dazwischen findet die Beurteilung der Zielerreichung statt. Zu Beginn des Folgequartals erfolgen dann die Präsentation der Zielerreichung aus dem Quartal 1 und die Vorstellung der Objectives and Key Results für das Quartal 2. Danach beginnt die nächste Umsetzungsphase. Der Vorteil dieser Vorgehensweise liegt in der kurzzyklischen Ausrichtung der Ziele – und vor allem an etwas: man bekommt die Möglichkeit zu lernen und entwickeln, vor allem was wir im letzten Quartal anders hätten tun sollen.
Wann scheitern OKR’s?
Der entscheidende Faktor für die erfolgreiche Einsetzung von OKRs ist nicht die Beauftragung irgendeines Beraters oder einer Absichtserklärung. Es ist die Entscheidung der Unternehmensleitung, die Einführung der OKRs wirklich zu wollen. Dafür gibt es ein einfaches Kriterium, an dem es gemessen werden kann. Stellt sich der CEO oder Eigentümerunternehmer vierteljährlich vor die Mannschaft, stellt seine OKRs vor und vor allem berichtet er von seinen eigenen Abweichungen?
Dies ist in klassischen Strukturen noch schwer vorstellbar, weil das Eingestehen von Abweichungen oder Fehlern vom TOP Management noch immer nicht gelebt wird - dass kann nur mit einer reifen Führung gelingen!
Generalangriff auf starre Strukturen
OKR ist nicht irgendeine neue Managementmethode oder trendiges Tool – OKRs sind eine Möglichkeit New Work, das auf Autonomie, Eigenverantwortung und Ergebnisorientierung basiert, in die Realität umzusetzen. Eines muss klar sein, OKRs sind ein Generalangriff auf bestehende, starre Strukturen, die vor allem Top Down gelebt werden. OKR funktionieren nur, wenn flache und agile Strukturen tatsächlich gelebt werden.
Natürlich scheitern OKRs auch, wenn man die Formulierungen schwammig sind, oder keine Messzahlen vorhanden sind.
Neue Strukturen für New Work
Unternehmen haben gerade jetzt die Möglichkeit, ihre Strukturen an die neue Form des Arbeitens anzupassen. „New Work“ erfordert Mut, Offenheit, Beharrlichkeit und vor allem Ehrlichkeit, sich auch mit Schattenseiten der eigenen Organisation auseinanderzusetzen. Gerade die MitarbeiterInnen der Zukunft, wie Millenials wollen nicht mikrogemanagt werden, brauchen kreative Freiräume und Autonomie zur eigenen Entfaltung.
Aus diesem Grund sind OKR auch die Grundlage für das neue Arbeiten von Morgen. Besser wir fangen jetzt an und warten nicht auf den nächsten „Black Swan“.
Veranstaltung:
Silicon Valley Lernreise, 17.Oktober bis 21. Oktober, 2022
Literaturtips
Werner Sattlegger: “Die Kunst reifer Führung”
John Doer: “Measure what matters”
Andy Grove: “High output management”
Ben Horowitz: “What you do is who you are”
Autor: Werner Sattlegger (Founder & CEO Art of Life)
Experte für digitale Entwicklungsprozesse, wo er europäische mittelständische Familien- und Industrie-unternehmen von der Komfort- in die Lernzone bringt. Leidenschaftlich gerne verbindet er Menschen und Unternehmen, liebt die Unsicherheit und das Unbekannte, vor allem bewegt ihn die Lust am Gestalten und an Entwicklung.