Wie toxische Kulturen zum Absturz führen
Hohe Liquidität und billiges Geld fluten Start Ups, was zu astronomischen Unternehmensbewertungen führt. Gleichzeitig purzeln gerade die Börsenkurse, Volatiläten wohin man sieht. Fast unbemerkt davon wurde gerade Elisabeth Holmes, frühere CEO des Silicon Valley Flaggschiffs Theranos, wegen Betrugs verurteilt. Wenn man das nächste Rocketship wie Google oder Facebook sein will, kann dies zu Größenwahn und Hybris führen, wie wir auch Österreich mit der Bawag oder die Hypo Alpe Adria Bank erfahren durften. In diesem Beitrag zeige ich mit „Gaslighting“ eine sehr perfide Form toxischer Unternehmenskultur auf, die zum Absturz führen kann.
Das “Theranos Märchen”
Als 19-Jährige Stanford Studentin gründete Elizabeth Holmes im Jahr 2003 ihr Unternehmen Theranos mit dem Versprechen, Bluttests einfacher, schneller und günstiger zu machen. Ein Jahr später brach Holmes ihr Studium ab, mit 31 Jahren war sie eine gefeierte Jungunternehmerin, Theranos hatte einen Marktwert von 9 Mrd. Dollar, Holmes somit die jüngste Selfmade-Milliardärin der USA. Dem steten Flug nach oben folgte im Jahr 2015 ein jeher Absturz. Unter Mithilfe von Whistleblowern wurde ein riesiger Schwindel aufgedeckt, Investoren, Kunden und Journalisten wurden über Jahre angelogen.
Die Bluttests konnten nicht die Tests, die sie versprachen, wie konnte es soweit kommen ?
Unternehmenskultur von Theranos
Misstrauen, psychischer Druck oder Lügen, so beschreiben ehemalige Mitarbeiterinnen die Unternehmenskultur von Theranos. Holmes selbst soll ihren Mitarbeiterinnen gegenüber selbst bei kleinsten Details gelogen haben ( z.B. behauptete sie etwa in Emails, nicht im Büro zu sein, obwohl sie nur wenige Meter entfernt an ihrem Schreibtisch saß). Im Unternehmen gab es so gut wie keine Informationen, wenn wurden Gerüchte gestreut, Drohungen, Angst und Einschüchterungen gegen kritische Stimmen waren an der Tagesordnung. So hat Holmes intern geführt, nach außen hat sie Investoren umgarnt und es geschafft, eine Reihe von prominenten Personen in ihr Board zu holen.
Das sind klassische Beispiele einer toxischen Unternehmenskultur, wo getäuscht und getarnt wird, im sogenannten „Gaslighting“ nimmt dies eine besonders perfide Form an.
Toxische Kultur am Beispiel “Gaslighting”
Beim „Gaslighting“ handelt es sich um ein destruktives, zwischenmenschliches Verhalten, bei dem das Opfer vom Täter gezielt manipuliert und desorientiert wird. Beim Gaslighting wird die Wahrnehmung der Realität eines Opfers in Frage gestellt und damit eine tiefgreifende Verunsicherung verursacht.
Der Begriff stammt vom britischen Dramatiker Patrick Hamilton, der im Jahr 1933 das Theaterstück „Gaslight“ geschrieben hat, das später mit Ingrid Bergmann („Das Haus der Lady Alquist“) grandios verfilmt wurde. In diesem Film manipuliert ein Ehemann seine Frau, indem er ihr vorwirft, den Gasherd (daher der Begriff gaslighting) brennen zu lassen, im Wissen, dass dies nicht stimmt. Die Elemente von Gaslighting sind Irreführung (Umfeld verändern), Einschüchterung (Drohen, Isolation), Leugnung (Fähigkeiten abstreiten, klein machen), Widerspruch (Worte im Mund herumdrehen). Vorwürfe (Unangemessenes Verhalten oder Kleidung kritisieren) oder Diffamierung (Üble Nachrede, Rufmord, für verrückt erklären) oder Lügen (etwas behaupten, was nicht stimmt).
Praktische Beispiele aus dem Organisationsalltag
Anwendungsbeispiele kommen in verschiedenen Situationen vor, wie Besprechungen, Sitzungen oder andere Formen der Begegnung.
Beispiel: „So habe ich das ja gar nicht gesagt, das stimmt so nicht“. Ein Kollege oder Vorgesetzter gibt eine Konversationen stets falsch wieder, verdreht bewusst die Wörter oder hat Besprochenes plötzlich „vergessen“, sodass man selbst zu zweifeln beginnt.
Beispiel: „Wie Sie sich in letzter Zeit verhalten, das enttäuscht mich sehr!“ Diese Aussage wird einfach in den Raum gestellt, ohne aber genau das Verhalten zu beschreiben oder zu begründen.
Beispiel: “Das sehe ich aber ganz anders, es entbehrt ja jeder Grundlage. was Sie hier sagen“. Wann immer Sie etwas sagen wollen, werden Sie von jemandem unterbrochen, korrigiert oder bloßgestellt. Als Konsequenz meldet man sich nicht zu Wort.
Beispiel: „Stell Sie sich nicht so an, Sie sind aber empfindlich.“ Oder: „Und wieder einmal bekommen Sie die Dinge in den falschen Hals.“ Hier wird bewusst mit Unterstellungen und Erniedrigung gearbeitet, der andere Menschen wird abgewertet, um sich selber aufzuwerten, oft in einem versteckten Vorwurf getarnt.
Eine extreme Form von Gaslighting ist das Arbeiten mit Schuldgefühlen. Klassiker sind die Sätze wie „Weil Sie … muss ich …“, was sich ganz praktisch so anhört: „Weil Sie langsam arbeiten, verlieren wir den Auftrag“ (was aber nicht stimmt). Diese Form nennt man “Schuldgefühlinduktion”, es geht darum dem anderen ein schlechtes Gefühl in Form von Schuld und Scham zu induzieren. Deshalb sehr perfide, da es im Organisationsalltag eloquent oder intellektuell ausgedrückt wird, den anderen aber emotional missbraucht. In Beziehungen und Erziehungen ist diese Form der Manipulation ein Klassiker.
Wie toxische Kulturen zum Absturz führen
Beim Gaslighting wird die Wahrnehmung der Realität eines Opfers in Frage gestellt und damit eine tiefgreifende Verunsicherung vollzogen. Das kann bis zur Verwirrung, Desorientierung und Verunsicherung gehen, das Selbstwertgefühl des Opfers wird schwer beschädigt. Auf eine direkte Konfrontation reagiert der „Täter“ mit einer persönlichen Abwertung, anstatt mit logischen Argumenten. Es fallen Sätze, wie „Sie sind aber empfindlich“ oder nur die angepassten Mitarbeiterinnen werden befördert oder die Kritiker gekündigt. Es findet kein Austausch, Dialog oder Kommunikation statt, was bis zu Paranoia gehen kann. Nach außen wird geblendet und getäuscht, Investoren lassen sich blenden, aus Furcht eine große Chance zu verpassen und schauen nicht genau hin.
Toxische Unternehmenskulturen sind gefährlich, sie richten enorme Schäden an. Sie können bis hin zu Betrug führen, wenn es kein Korrektiv gibt.
Letztlich sind wir alle aufgefordert, kritisch zu bleiben, mutig Dinge anzusprechen oder Gaslighting zu konfrontieren. Organisationen dürfen nicht Orte des emotionalen Missbrauchs sein, sondern Orte für Potentialentfaltung und Entwicklung.
Autor: Mag. Werner Sattlegger, Founder der Art of Life
Literatur:
Werner Sattlegger, “Die Kunst reifer Führung”, 2021
Veranstaltungen:
Wollen Sie regelmäßig Art of Life Insights zur transformationalen Führung und Teamfähigkeit erhalten?
In unseren Blogs, Talks und Playbooks erzählen und berichten wir darüber, wie dies gelingen kann. Sie erhalten diese Inhalte regelmäßig, kostenlos und bequem per e-mail, wenn Sie sich dafür anmelden.
Experte für digitale Entwicklungsprozesse, wo er europäische mittelständische Familien- und Industrie-unternehmen von der Komfort- in die Lernzone bringt. Leidenschaftlich gerne verbindet er Menschen und Unternehmen, liebt die Unsicherheit und das Unbekannte, vor allem bewegt ihn die Lust am Gestalten und an Entwicklung.