Value Based Leadership in Zeiten von Künstlicher Intelligenz
Führungskräfte stehen heute vor allem im Mittelmanagement vor großen Herausforderungen.
Der digitale Wandel fordert schnellere und effizientere Prozesse, oft befinden sich Führungskräfte in einer Falle: von oben immer mehr widersprüchliche Vorgaben und von unten der zwischenmenschliche Druck der MitarbeiterInnen, die diese Vorgaben nicht umsetzen wollen.
Diese Position ist sehr unbequem, da man eigentlich „nur“ „alles falsch“ machen kann. In der Literatur wird es auch Sandwichposition genannt, die Führungskraft ist inmitten von mehreren Spannungsfeldern. Man hat mehrere Optionen und jede trägt in sich einen Nachteil. Jede Entscheidung die ich als Führungskraft tätige, wird eine negative Auswirkung haben.
Zum Beispiel das Zusammenlegen von Abteilungen, Fusionen von Firmen oder andere Reorganisationen lassen in vielen Institutionen und Unternehmen viele Führungspositionen überfordert zurück.
Viele Führungskräfte funktionieren dann nur mehr, erfüllen Erwartungen, die aber in einer Welt voller Ambiguitäten nicht zu erfüllen sind.
Die Folge ist eine dramatisch ansteigende Zahl von Menschen, die in ihrem Job nicht nur Angst haben, sondern sich schon innerlich verabschiedet haben (siehe Gallup Umfrage).1
Das Ende des Pseudomanagement in Zeiten von KI
Wenn ein Unternehmen eine gewisse Größe hat, scheinen Führungskräfte oft ihre Energien auf Politik, Absicherung der eigenen Positionen, Geschäftigkeit, Verkauf der eigenen Leistungen und das Knüpfen von nützlichen Seilschaften zu setzen. Notwendiger Wandel ist aber nicht auf einer oberflächlichen, sondern nur auf einer tieferen Ebene möglich. Dafür ist die Entwicklung von reifen Führungspersönlichkeiten notwendig, die auch in unsicheren Zeiten Orientierung und Halt geben, vor allem aber den Wandel gestalten können. Reife Führungspersönlichkeiten verfügen über ein gesundes Maß an Selbstreflektion, Eigenverantwortung und Beziehungsfähigkeit, damit sie MitarbeiterInnen im Wandel mitnehmen können.
Gerade im digitalen Wandel, wo viele Ängste und Unsicherheiten entstehen, ist eine gemeinsam gelebte Wertekultur in einer Gruppe oder Team ein entscheidender Erfolgsfaktor. Werte geben in einer unsicheren, komplexen und vernetzten Welt Halt und Orientierung, in einer Gruppe kann ich mich auf Grund von gelebten Werten verlassen. Überall wo Menschen zusammenleben, sei es in Partnerschaften, Familien oder Unternehmen, muss es Spielregeln für das Miteinander geben - genau das sind Werte.
Was bedeutet Value Based Leadership?
Werte sind Eigenschaften und Handlungsmuster, die Mitarbeiter in einem Unternehmen leben. Auch wenn ein Unternehmen bereits Werte entwickelt hat und für gewisse Werte steht, gibt es immer regionale und inhaltliche Unterschiede – am Ende des Tages entwickelt jede Gruppe seine eigenen Werte und Spielregeln. Wenn diese noch nicht bekannt sind, nicht festgeschrieben sind oder eine neue Gruppe entsteht, ist die Frage wie ich zu diesen Werten komme:
Um auf die Spur dieser Werte zu kommen, ist es bedeutsam sich die richtigen Fragen zu stellen, wie zum Beispiel:
Was ist uns im Team im täglichen Umgang wichtig?
Was unterscheidet uns von anderen?
Woran messen wir unser Miteinander?
Da wir in einer Zeit der Beliebigkeit leben, ist es wichtig sich zu fokussieren und sich nur auf eine bestimmte Anzahl an Werten zu konzentrieren.
Entwicklung von Werten
Wenn sie nun als Führungskraft einen Bereich oder eine Abteilung verantworten, sich öfters in dieser Sandwichposition fühlen, dann sollten Sie eine Werteentwicklung in Angriff nehmen. Auch wenn es im Unternehmen schon Werte oder Leitbilder gibt, gilt es diese im eigenen Team wie folgt in folgenden Schritten zu entwickeln:
1. Begegnung im „geschützter Raum“
Gehen Sie mit Ihrem Team für ein paar Stunden an einem Ort wo sie völlig ungestört abseits des Büroalltags zusammenkommen. Keine Handys oder Laptops stören, keine Anrufe oder zufällige Kundenbesuche. Am Anfang ist es wichtig klar zu machen, um was es geht, was die Spielregeln sind und wie die Rollen verteilt sind. Ein Moderator kann bestimmt werden, der die Diskussion leitet, der aber nicht die Führungkraft sein darf.
2. Kraft des Zuhörens
Die Gruppe vereinbart, bereit zu sein, einen schöpferischen Raum zu schaffen, der aber nicht erzwungen werden kann, sondern nur ermöglicht. Und die wichtigste Voraussetzung dafür ist das Zuhören. Dies bedeutet, man schenkt sich gegenseitige Aufmerksamkeit und Präsenz, ohne gleich zu bewerten oder zu analysieren. Das Ergebnis kann dann ein schöpferischer Dialog sein, den man vor allem daran erkennt, dass man nach diesem Gespräch verändert hat und die Teilnehmer neue Erkenntnisse, Einsichten, etc. haben.
3. Definition der Werte
Wenn man sich nun auf Werte geeinigt hat, ist der entscheidende Faktor - wie lautet die Definition dieses Wertes? Was verstehen wir darunter?
Wenn wir als Beispiel den Wert „Verlässlichkeit“ nehmen, dann kann in einer Gruppe von MitarbeiterInnen jeder etwas anderes verstehen. Für den einen ist es das Einhalten einer Frist ohne Verzögerung, für den anderen ist es schon verlässlich, wenn ich überhaupt antworte.
Es gilt diese Werte gemeinsam auszuwählen, zu fokussieren und zu definieren.
4. Vereinbarung dieser Werte
Menschen brauchen Rituale, sie sind in einer dislozierten und komplexen Welt der soziale Kitt für Zusammenhalt und Orientierung. Aus diesem Grund sollten die Werte von einer Gruppe in Form eines Rituals klar „comitted“ werden, entweder in Form einer Unterschrift oder in anderer Form. Wichtig ist, dass sich die Mitarbeiter dazu klar bekennen.
5. Implementierung dieser Werte
Der entscheidende Faktor bei einem Value Based Leadership Ansatz ist die Tatsache, dass die vereinbarten Werte dann im täglichen Routinealltag auch gelebt werden. Sie müssen Eingang finden im täglichen Ablauf, in den Kommunikationsschnittstellen wie Mitarbeitergesprächen oder All Hands Meetings. Vor allem muss es die Möglichkeit geben, bei Abweichungen im Verhalten, den anderen auch zu konfrontieren. Es gibt in Unternehmen nichts Schlimmeres als die verlogenen Hochglanzbroschüren, wo Werte propagiert werden und gleichzeitig im Alltag mit Füßen getreten werden.
Und aus der Sozialpsychologie weiss man, dass die wichtigste Quelle für werteorientiertes Miteinander das Verhalten der Führungskraft ist. Ist dieses Verhalten kongruent und kohärent zu den vereinbarten Werten?
Unsere Welt wird immer komplexer und dynamischer, was heute richtig ist kann morgen schon wieder falsch sein. Menschen brauchen aber Orientierung und Halt, aus diesem Grund sind Werte ein so wichtiger Faktor im digitalen Wandel. Sie als Führungskraft haben es in der Hand, nutzen Sie diesen Gestaltungsspielraum.
Autor: Mag. Werner Sattlegger, Founder und CEO Art of Life
Literaturempfehlung
Werner Sattlegger, “Die Kunst reifer Führung”
Otto Scharmer - „Theory U - von der Zukunft her führen“
1 Gallup Umfrage: Die Studie untersucht jedes Jahr, wie zufrieden Beschäftigte sind und wie es um die Identifikation mit dem Arbeitgeber und der Motivation steht.
24 Prozent hätten der neuen Untersuchung zufolge nicht nur keine emotionale Bindung mehr an das Unternehmen, sondern arbeiten aus Frustration gegen das eigene Unternehmen. 61 Prozent haben innerlich gekündigt und nur bei 15 Prozent gibt es eine hohe emotionale Bindung.