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R.I.P Changemanagement

Klassische Pläne zu Changemanagement oder Konzepte zu Umstrukturierungen haben oft eines gemeinsam: sie funktionieren nicht. Denn in Veränderungen geht es oft um “das Ganze”, mit vielen Ängste, Widerständen und Unsicherheiten der Menschen, die fast immer in Form von Verdrängungen ignoriert werden. Die einzige Möglichkeit Veränderungen mit anderen Menschen erfolgreich zu gestalten sind qualitätsvolle Beziehungen in Form von Resonanzen.

Führungskräfte haben bei unseren Learning Journeys erlebt wie Künstliche Intelligenz Organisationen und Geschäftsmodelle radikal transformiert, was eine völlig andere Unternehmenskultur erfordert. Menschliche Fähigkeiten wie Eigenverantwortung, Selbstreflexion, Kreativität und Beziehungsfähigkeit stehen dabei im im Vordergrund, wollen wir nicht an der Oberfläche des wirkungslosen Pseudomanagements verharren. Ein Unternehmenskulturwandel dorthin braucht Zeit, Geduld, Vertrauen und Beziehungsfähigkeit in Form von Resonanz.

Resonanz in Führungsbeziehungen

Nach einer Studie von Capgemini (Culture First! Von den Vorreitern des digitalen Wandels lernen, Change Management Studie 2017) werden als die größten Hindernisse für den digitalen Kulturwandel mangelnde Kommunikation mit den Mitarbeitern, Silodenken und kein oder unzureichender Umgang mit den Ängsten der Mitarbeiter genannt. 

Der Resonanzbegriff hat vor allem durch die Theorie des Frankfurter Soziologen Harmut Rosa weitreichende Bekanntheit erfahren, der gerade für Veränderungen essentiell ist.

Der Begriff der Resonanz stammt aus der Physik, genauer der Akustik. So löst die Eigenschwingung einer Saite auch im Klangkörper der Geige eine Eigenschwingung aus. Resonanz ist dann ein gegenseitige und wechselseitiges Phänomen – zum Klang der Geige tragen beide Seiten bei: nicht Echo, sondern Antwortbeziehung. Ähnlich verhält es sich laut Rosa mit allen Beziehungen auf der Welt, entweder sind sie resonant und können einander, wie Rosa es formuliert, antworten. Sie reagieren und resonieren aufeinander, sind in Kontakt und Beziehung, dadurch erfahren sich beide Seiten als selbstwirksam. Dann besteht die Möglichkeit eines Resonanz-Erlebnisses: Glück, Freude an der Arbeit, Energie, Flow – die eigene Selbstwirksamkeit wird in der Reaktion des anderen erfahren, ein Gefühl des gemeinsamen Gelingens , des gemeinsamen Wachsens und der Stimmigkeit stellt sich ein. Sind die Beziehungen dagegen, wie Rosa es ausdrückt, „stumm“, fehlt ihnen dieser Antwortcharakter – und die Resonanz bleibt aus.“

Führungskräfte in tief gehenden Veränderungsprozessen müssen bereit sein, kontinuierlich in offenen Austausch mit ihren Mitarbeitenden zu gehen, der auf einer guten und reifen Beziehung aufbaut. Das bedeutet nicht das Fehlen von Konflikten oder Sozialromantik, wo sich alle nur „liebhaben“. Nein es bedeutet in Resonanz zu gehen, die Widerstände und Ängste der Mitarbeiter ernst zu nehmen, mitzuschwingen und sich nicht hinter Mails und Konzepten zu verstecken. 

Wie gelingt Resonanz?

  •  Verabschiedung des mechanistischen Denkens

Wer in mechanistischer Manier versucht, zwischenmenschliche Resonanz nach kausalen Prinzipien zu erzwingen, läuft absehbar ins Leere. Denn Resonanz entzieht sich, wie Rosa es ausdrückt, der Verfügbarkeit, sie lässt sich nicht forcieren, schon gar nicht in Pläne, Konzepte oder Strategien forcieren.

  • Offenheit 

Paradoxerweise erreicht Resonanz nur, wer eine (weitgehend) ergebnisoffene, absichtlich-absichtslose Haltung einnimmt, ganz im Sinne des Zen-Ratschlags „Treffe, ohne zu zielen“. Das bedeutet, Resonanzen Räume zu eröffnen, nicht aber Resonanzen „erzeugen“ zu wollen, weder bei einzelnen Maßnahmen noch im gesamten Prozess. 

  • Eigenverantwortliche Teams

Das könnte heißen, dass Führungskräfte zu Beginn keinen fertigen Stufenplan mit festen Meilensteinen vorlegen, sondern die Eigenorganisation des jeweils von der Veränderung betroffenen Teams fördern. Das Team selbst legt die Ziele für den nächsten Schritt fest, der Changemanager oder die Führungskraft agieren als Enabler. Auch hier gibt die Führung ein Stück weit Kontrolle ab – das Ergebnis verspricht jedoch nachhaltigere Veränderung, weil sie eine Änderung auf der Beziehungsebene impliziert.

  • Verhindern von Mindtraps

Hindernisse auf dem Weg zu erfolgreichem Kulturwandel sind oft Egospiele und sogenannten „Mindtraps“,  Identitätsfallen auf Seiten der Führungskräfte, wie Jennifer Garvey Berger in ihrem BuchUnlocking Leadership Mindtraps: How to Thrive in Complexity” beschreibt.

Viele gehen davon aus, dass unsere Identität geklärt ist und dass die eigentliche Herausforderung darin besteht, wie wir in einer schnelllebigen Welt relevant und damit wichtig bleiben können. Die Identitätsfalle macht ein einzigartiges menschliches Rätsel deutlich: Wir sind oft durch unser eigenes Ego gefangen. Wir versuchen unsere Identität, die sich sinnvollerweise über die Jahre entwickelt hat, zu verteidigen, rechtzufertigen oder aufzublasen. Dabei versuchen wir oft im Recht zu sein, wehren Unbekanntes ab und hören auf, anderen gut zuzuhören, und ignorieren Daten, die uns das Gegenteil beweisen. 

  • Kein Harmoniebedürfnis

In dieser Identitätsfalle sehnen wir uns nach Übereinstimmung und hassen Konflikte, da wir uns zum Überleben an den Meinungen und Wünschen anderer orientieren. Und wenn wir uns nicht einig sind, erleben wir eine soziale Notlage, die neurologisch nicht von körperlichen Schmerzen zu unterscheiden ist. Dies führt dazu, dass sich Teams zu leicht einig werden und bei der Bewältigung komplexer Herausforderungen auf wertvolle Optionen verzichten. Mit anderen Worten: Der Versuch, miteinander auszukommen, beraubt uns buchstäblich unserer guten Ideen.

  • Abgabe von Kontrolle 

Der Wunsch nach Kontrolle ist tief mit unserem Glücksgefühl verbunden. Ein Gefühl der Kontrolle lässt uns sogar länger und gesünder leben. Doch ist diese Sehnsucht nach Kontrolle und Sicherheit sehr trügerisch, ist sie in einer komplexen, unsicheren Welt nicht zu befriedigen und vor allem steht sie uns bei der erfolgreichen Bewältigung der Aufgaben im Weg. 

In einer vor uns liegenden Welt voller organisatorischen, ökologischen und geopolitischen Herausforderungen mit einer immer größer werdenden Komplexität ist Veränderung Programm”.

Diese werden nur in echten und gelebten Beziehungen möglich sein, wo Resonanzen entstehen können. Pläne und Konzepte greifen einfach zu kurz.

Und am Ende noch die eine letzte gute Nachricht: persönliche Entwicklung gemeinsam mit anderen Menschen in Veränderungen dient dann nicht alleine nur dem organisatorischen oder wirtschaftlichen Erfolg, sondern macht Freude.

Literatur: 

Barbara Hott und Frieder Pfleghar, „Swinging Change – Organisationswandel durch Resonanz“ (ManagerSeminare, Heft 263, Februar 2020)

Jennifer Garvey Berger, „Unlocking Leadership Mindtraps: How to Thrive in Complexity”

 

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Autor: Werner Sattlegger
Founder & CEO Art of Life

Experte für digitale Entwicklungsprozesse- wo er europäische mittelständische Familien- und Industrie-unternehmen von der Komfort- in die Lernzone bringt. Leidenschaftlich gerne verbindet er Menschen und Unternehmen, liebt die Unsicherheit und das Unbekannte, vor allem bewegt ihn die Lust am Gestalten und an Entwicklung.

Betriebswirtin und Mal- und Gestaltungstherapeutin. Als Cofounderin der  Art of Life verbindet Sie Wirtschaft, Kunst und Coaching und ist für Business Development, Digital Marketing und Programmgestaltung verantwortlich. 

Liebt Entwicklung und das Ergründen von Potentialen.

Autorin: Manuela Sattlegger, Co-Founder Art of Life

Betriebswirtin und Mal- und Gestaltungstherapeutin. Als Cofounderin der  Art of Life verbindet Sie Wirtschaft, Kunst und Coaching und ist für Business Development, Digital Marketing und Programmgestaltung verantwortlich. 

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