Wie Führungskräfte organisationale Energien verändern
Zahlen und Strategien sind wichtig und die Grundlage jeder Unternehmensführung. Aber Organisationen sind mehr als Daten, sondern die Summe der zwischenmenschlichen Beziehungen. Diese können sich durch hohe oder niedrige Energie auszeichnen, was nichts mit Esoterik zu tun.
Aktuelle wissenschaftlich Untersuchungen weisen einen direkten Zusammenhang zwischen hoher organisationaler Energie und Profitabilität bzw. Kundenzufriedenheit nach. In diesem Podcast besprechen wir unterschiedlichen Energieformen in Organisationen, vor allem was praktisch getan werden kann, um die sogenannte „organisationale Energie“ zu verändern.
Grundlage von Lebensenergie
Der Gründervater aller bioenergetischen Konzepte war vor fast 100 Jahren der Wiener Arzt und Psychoanalytiker Wilhelm Reich. Er hat bei seinen Sitzungen mit Klientinnen festgestellt, dass es im menschlichen Organismus einen natürlichen Rhythmus der biologischen Energie zwischen „Ladung und Entladung“ gibt, als Grundprinzip des Lebens.
Dies manifestiert sich in einer Ausdehnung oder aber einem Zusammenziehen – einer Expansion oder einer Kontraktion. Einem liebevollen und großherzigen In-der-Welt-Sein steht ein enges, neidisches und ängstliches In-der-Welt-Sein gegenüber.
Der Weg zu dieser Erkenntnis führte bei Reich über die Wahrnehmung von körperlichen Reaktionen bei seinen Klientinnen, wenn sie über emotional belastende Erfahrungen berichteten. Begannen Klientinnen über ihre manchmal schmerzhaften Erfahrungen zu sprechen, machte Wilhelm Reich spannende Beobachtungen, wie zum Beispiel, dass sich der Atem veränderte, die Haut sich rötete oder die Finger zu zappeln anfingen – der Körper zeigte Reaktionen. Reich war damit der Erste, der diese Phänomene in der psychoanalytischen Arbeit erkannte und seine Arbeitsweise daraufhin auch radikal anpasste.
Dieser bioenergetische Zugang wurde in den darauffolgenden Jahrzehnten von vielen humanistischen Richtungen übernommen und bildet letztlich auch die Grundlage für die folgende Untersuchungen:
Organisationale Energie
Das Konzept der Organisationalen Energie wurde am Institut für Führung und Personalmanagement (I.FPM) in der Universität St. Gallen ab 2001 im Rahmen des Organizational Energy Program (OEP) (Leitung Prof. Dr. Heike Bruch) entwickelt.
Diese Studien haben wiederholt gezeigt, dass „Organisationale Energie“ deutlich positiv mit Unternehmenserfolg, Profitabilität und Kundenzufriedenheit korreliert (Bruch & Vogel, 2011)
Mithilfe der zwei unabhängigen Dimensionen – Intensität und Qualität – lassen sich vier typische Energiezustände in Unternehmen unterscheiden:
Formen der Organisationalen Energie
Nach diesen Untersuchungen werden 4 grundlegende Energieformen in Organisationen festgestellt.
1. Resignative Trägheit, sogenannte Frustrations und Jammerzirkel
Diese Energieform zeigt sich in Gleichgültigkeit, innerem Rückzug oder Distanzierung gegenüber Unternehmenszielen. Es herrschen Emotionen wie Frustration und Enttäuschung vor, das Aktivitätsniveau ist deutlich reduziert.
2. Angenehme Energie in Form von Selbstgenügsamkeit und Überheblichkeit
Im Zustand angenehmer Energie sind Unternehmen durch Zufriedenheit mit dem Status Quo, eine geringe Handlungsintensität, tendenziell reduzierte Aufmerksamkeit und geringe emotionale Spannung gekennzeichnet.
3. Korrosiver Energie in Form von Saboteuren und Dschungelkämpfen
Bei korrosiver Energie sind Unternehmen durch hohe Aktivität, Wachheit und emotionale Anspannung gekennzeichnet; diese werden jedoch nicht konstruktiv, sondern für interne Kämpfe, Mikropolitik und die Verhinderung von Innovation und Wandel genutzt.
4. Produktive Energie
Unternehmen mit hoher produktiver Energie zeichnen sich durch intensive positive Emotionen, hohe Aufmerksamkeit und ein hohes Aktivitätsniveau aus. Die mobilisierten Potenziale sind auf die Erreichung der gemeinsamen übergeordneten Ziele ausgerichtet.
Fallen auf dem Weg zu hoher Energie
Wenn man beginnt diese Energien wahrzunehmen, dann kann man die Phänomene von verschiedenen Fallen beobachten, die allen Organisationen auftreten:
“Trägheitsfalle”:
Diese entsteht durch zwei Entwicklungen: Zum einen erleben viele Unternehmen lange Erfolgsphasen in stabilen Märkten, die zu großer Erfolgssicherheit, aber auch zu eingefahrenen Verhaltensmustern führen. Bei Veränderungsdruck fällt es diesen Unternehmen dann schwer, sich von bestehenden Erfolgsmustern zu lösen.
“Korrosionsfalle”:
Diese kippt hohes und produktives Engagement in intensive negative, fehlgeleitete oder blockierte Energie, z.B. durch eine Diskrepanz zwischen der Handlungsbereitschaft von Unternehmenseinheiten und den ihnen tatsächlich eingeräumten Spielräumen. Die Einsatzbereitschaft entlädt sich in anderen Aktivitäten, u.a. gegenüber anderen Bereichen oder für eigene, den Unternehmenszielen widersprechende Ziele.
“Beschleunigungsfalle”:
Arbeiten die Unternehmenseinheiten und Mitarbeiter permanent und langfristig mit erhöhtem Einsatz, hoher Geschwindigkeit und Intensität, droht dem Unternehmen die Beschleunigungsfalle, da sie dauerhaft an die Grenzen der Belastbarkeit getrieben werden. Die anhaltend hohen Kraftanstrengungen führen so zu Energiemangel und manifestieren sich in Symptomen wie Change-Müdigkeit und organisationalem Burnout (Bruch & Menges, 2010a).
Wege zu hoher organisationalen Energie
Dazu habe ich auf Grund meiner Erfahrung als reichianischer Körpertherapeut folgende Punkte zusammengefasst:
· “Organisationen als Energieräume verstehen”
Organisation sind nicht eine Ansammlung von Daten, Konzepten oder Analysen, sondern die Summe aller zwischenmenschlicher Beziehungen. Menschen und Beziehungen generieren Energie, ob sie wollen oder nicht. Diese kann jeder wahrnehmen, der seine Sinne öffnet, wahrnimmt und fühlen kann.
· “Jeder trägt dazu bei “
Der Chef da oben oder die Organisation da drüben gibt es nicht, jeder trägt zu einer Energie in einem Team oder Organisation bei. Das bedeutet auch Verantwortung dafür zu übernehmen.
· “Niedrige Energie fließt zu höherer Energie”
Es ist ein physikalisches Gesetz, dass die niedrigere Energie zu der höheren Energie fließt, was vor allem für Führungskräfte relevant ist. Wenn diese auf Dauer auf einem niedrigem Energielevel agieren, dann können sie das Energieniveau anderer nicht erhöhren.
· “Resonanz und Schwingung”
In Beziehungen mit anderen beeinflussen wir uns ständig gegenseitig, ob wir wollen oder nicht. Hartmut Rosa nennt es Resonanz, als wichtiges menschliches Grundbedürfnis.
· “Vermeidung korrosiver Energie”
Saboteure versuchen die Stimmung und ziehen andere, engagierte MitarbeiterInnen hinunter. Das richtet enormen Schaden an, daher müssen Führungskräfte so rasch wie möglich einschreiten.
· “Sinn als Ausrichtung”
Menschen wollen ein Warum und sind nicht mehr bereit als Arbeitssklaven tätig zu sein. Wenn sich Unternehmen darauf nicht einstellen, dann werden sie nicht wettbewerbsfähig bleiben.
Organisationale Energie ist nicht nur wissenschaftlich untersucht, nachgewiesen und damit ein gerade in dynamischen Rahmenbedingungen wichtiger Faktor. Wir können uns dem verschließen oder aber auch einfache menschliche Fähigkeiten entwickeln: wahrnehmen, fühlen und vor allem sein Sensorium für diese Phänomene ausbauen.
Wir sind davon überzeugt, dass dies in Zukunft den Unterschied ausmachen wird.
Autoren: Mag. Manuela und Werner Sattlegger, Founder Art of Life
Lesetip:
Heike Bruch, Bernd Vogel, “"Organisationale Energie”
Werner Sattlegger: “Die Kunst reifer Führung”, 2022
Loil Neidhöfer/Werner Sattlegger, “Wenn die Sehnsucht größer wird als die Angst”
Experte für digitale Entwicklungsprozesse, wo er europäische mittelständische Familien- und Industrie-unternehmen von der Komfort- in die Lernzone bringt. Leidenschaftlich gerne verbindet er Menschen und Unternehmen, liebt die Unsicherheit und das Unbekannte, vor allem bewegt ihn die Lust am Gestalten und an Entwicklung.