Menschliches oder Maschinelles Lernen?

Egal ob Sie als Programmierer, Strategieentwickler, Lehrer oder Marketingexperte arbeiten, falls Sie die letzten Tage das neue ChatGPT 4 ausprobiert haben, wird es Ihnen vielleicht so ergangen sein wie mir. Ein kleiner Hauch von Kränkung, was diese Maschine alles kann. Alles was wir bisher gelernt haben, sei es auf der Universität, in Kursen oder durch das Leben selber, scheint dieses Gerät mühelos und leicht zu machen.

Das hat und wird enorme Auswirkungen auf Gesellschaft, Wirtschaft und Wertschöpfung haben, vor allem wie wir Wissen verarbeiten.

Wie und was dies für jeden Wissensarbeiter bedeutet, wo die Gefahren oder die Chancen liegen, darum geht es in diesem Beitrag.

Was ist ChatGPT 4

Die Buchstaben nach GPT bedeuten "Generative Pre-trained Transformer" und es handelt sich um einen speziellen Chatbot (ein textbasiertes Dialogsystem, das das Chatten mit einem technischen System erlaubt), der auf dem Sprachmodell 4 basiert und durch selbstüberwachtes Lernen trainiert wird. Während des Trainings war die Aufgabe, das nächste Wort eines Textausschnittes vorherzusagen, der aus verschiedenen Quellen stammt. Dieser Schritt wird Pre-Training genannt, auf diese Schritte kommen überwachtes und dann sogenanntes bestärkendes Lernen. Der Chatbot kann das nächste Wort in einem Satz vorhersagen, der als Antwort auf eine Anfrage dient.

Diese Vorhersagen basieren auf einem "großen Sprachmodell", das die Ergebnisse der Analyse von Millionen von Textstellen zusammenfasst. Es handelt sich um ein statistisches Verfahren mit 170 Milliarden Parametern, die dafür sorgen soll, dass der Text richtig ist.

Wie ChatGPT durch die Decke geht

ChatGPT hat innerhalb von 5 Tagen über 100 Millionen Subscribers bekommen, damit ist es das schnellst wachsende Produkt in der Wirtschaftsgeschichte. Daher ist es auch keine Überraschung, dass Investitionen diesem Bereich gerade durch die Decke gehen. Die Finanzierung generativer KI-Startups erreichte 2021 mit über 3,9 Milliarden US-Dollar ihren Höchststand. Und 2022 war nicht viel anders - während die Finanzierung in vielen anderen Sektoren austrocknete, sammelte die Branche über 3,7 Milliarden Dollar an Risikokapital ein.

Jeden Tag entstehen neue Start - ups, welche Anwendungen bieten, um die klassische Wissensarbeit zu unterstützen oder sogar zu ersetzen. Was sind nun spannende Anwendungsfälle?

WELCHE KI TOOLS GIBT ES FÜR DIE WISSENSARBEITER NOCH?

  • Type Face ist ein generatives KI-Startup mit Sitz in San Francisco, das im letzten Monat seinen Start mit 65 Millionen US-Dollar angekündigt hat. Die KI-Plattform kann Produktaufnahmen, Blog-Posts, Social-Media-Anzeigen und Stellenanzeigen erstellen.

  • Jasper, ein KI-Startup mit Sitz in Texas, kann Blog-Posts, E-Mail-Anzeigen, Facebook-Posts und Videoskripte "10-mal schneller" produzieren als Menschen.

  • Das in San Francisco ansässige Unternehmen Writer arbeitet mit großen Marken wie Spotify, L'Oreal und UiPath zusammen, um die Ausgabe von Inhalten und die Suche nach Traffic zu steigern.

  • DALL-E verwendet eine neuronale Architektur namens GAN (Generative Adversarial Network), die in der Lage ist, hochrealistische Bilder zu erstellen.

  • Stable Diffusion ist ein Text-zu-Bild-Generator, das detailreiche Bilder aus Textbeschreibungen erzeugen kann.

  • Pictory kann den Großteil des Videoproduktionsprozesses automatisieren. Sie kann mithilfe künstlicher Intelligenz lange Videos (wie Webinare) und Textinhalte (wie lange Artikel) automatisch in kurze Videoclips umwandeln.

“THE FALSE PROMISES OF CHAtgpt”

Ein der Hauptkritiken an ChatGPT ist dessen mangelnde Abstraktionsfähigkeit, deswegen Aufgaben wie Sortieren und Zählen nicht verlässlich ausgeführt werden könnten. Auch Schlussfolgern könne das Programm nicht oder es fehle die Faktizität einer Aussage - die Vorhersage eines Satzes führe, wenn sie auf unzuverlässigen Quellen basiert, eben zu unzuverlässigen Aussagen. Das Ergebnis sind sogenannte "Halluzinationen", also erfunden anmutenden Aussagen des Programmes.

Vor allem ein viel zitierter Artikel des 94-jährigen renommierten US Linguisten Noam Chomksy mit dem Titel “The fals promises of ChatGPT”, erschienen unlängst in der New York Times, sorgt für viel Diskussion. Er untersucht darin den Unterschied zwischen menschlichem und maschinellem Denken und behauptet, dass letzteres unfähig ist, richtig von falsch zu unterscheiden – von moralischen Urteilen zu schweigen.

Das menschliche Denken basiere auf möglichen Erklärungen und Fehlerkorrekturen, ein Prozess, der die Möglichkeiten, die rational in Betracht gezogen werden können, allmählich einschränkt.

  • Ein kleines Kind, das eine Sprache lernt, entwickelt beispielsweise – unbewusst, automatisch und schnell aus winzigen Daten – eine Grammatik, ein erstaunlich ausgeklügeltes System logischer Prinzipien und Parameter.“, so Chomsky, was eben eine Maschine nicht könne.

Meiner Meinung geht es bei dieser Diskussion nicht nur um das Lernen, die Fehlerkultur oder moralische Bewertung, sondern um Fragen wie Emotion, Bewusstsein oder Intuition, die nicht in einer Maschine abgebildet sind. Dazu demnächst mehr an dieser Stelle, wie auch die Behandlung von Fragen wie:

  • Wie sieht es mit dem Urheberrecht von ChatGPT generierten Texten?

  • Wer haftet bei Entscheidungen, die von KI getroffen wird?

  • Wie bewerte ich als Uni eine akademische Arbeit, die mit Hilfe von ChatGPT geschrieben wurde?

auswirkungen auf Büroarbeit

Unabhängig von der Frage, wie ähnlich das maschinelle und das menschliche Lernen sind, nicht nur Experten sind sich einig, sondern kann es auch jeder erfahren, der es ausprobiert: Künstliche Intelligenz und ChatGPT stellen unsere gesamte Arbeitswelt auf den Kopf, vor allem auch die klassische Büroarbeit:

  • Überall dort, wo es um die klassische Verarbeitung von Informationen, Daten und Texten geht, egal in welcher Form, dort wird KI sich auf lange Sicht durchsetzen. Das macht Angst und kränkt auch, denn wir Menschen wollen unsere Potentiale Leben, wir sind Stolz auf das wir und wie wir es tun.

Meiner Meinung nach werden wir aber die grundlegenden menschlichen Fähigkeiten, wie kritische Vernunft, Empathiefähigkeit, Intuition oder Bewusstsein nicht von Künstliche Intelligenz ersetzt werden.

  • Ganz im Gegenteil, wir werden lernen müssen, diese gerade jetzt noch viel mehr zu entwickeln. Das finde ich wieder eine sehr tröstliche Entwicklung, denn wer will in Organisationen schon Menschen, die nur angepasst und ohne zu hinterfragen handeln, die nicht empathisch auf persönliche Umfeld reagieren und die moralische Verantwortung für Ihr Tun übernehmen.

Wie sollten die Chancen an Produktivität nutzen, die uns KI bietet, aber gleichzeitig uns als Menschen weiterentwickeln. Dazu sind wir nun gefordert, nun ist eine gute Zeit dafür.

Tip: Executive Learning Journey, 14-18.Oktober 2024

Werner Sattlegger: “Die Kunst reifer Führung”, 2022

 

Autor: Werner Sattlegger
Founder & CEO Art of Life

Experte für digitale Entwicklungsprozesse, wo er europäische mittelständische Familien- und Industrie-unternehmen von der Komfort- in die Lernzone bringt. Leidenschaftlich gerne verbindet er Menschen und Unternehmen, liebt die Unsicherheit und das Unbekannte, vor allem bewegt ihn die Lust am Gestalten und an Entwicklung.