Buchrezension - The War of Art
Buchrezension über das Buch von Steven Pressfield
Jeder kennt die Sätze wie „ Ich kann nicht“ oder „Das brauchen wir nicht“, egal wo Veränderung stattfindet, gibt es einen Reflex: Widerstand!
Gerade in Zeiten des Wandels und Unsicherheit tritt dieser Widerstand häufig und oft in den Vordergrund. Ob in Phasen einer beruflichen Neuorientierung, bei einer Produktentwicklung oder einer Homepageerstellung. Überall wo Neues in den Vordergrund strebt, finden kreative Prozesse statt, wo auch Widerstand nie fehlt. Darum geht es in der heutigen Buchrezension.
Ich bin auf das Buch von Steven Pressfield im San Francisco bei unseren Silicon Valley Learning Journeys gestoßen. Erfolgreiche Unternehmer, die wir dort getroffen haben, hatten es jenseits der Komfortzone nie leicht, mussten vor allem mit einem Feind umgehen: Widerstand. Viele von ihnen haben mir vom Buch „The War of Art“ erzählt und betont, wie entscheidend das Wissen über Widerstand für den Erfolg ist.
Veröffentlicht im Jahre 2002, liest sich das Buch durch sein direkte, schnörkelose und wirksame Sprache leicht und man “spürt” sofort den Autor, er weiß wovon er spricht. Der Autor hat selbst jahrzehntelang mit den Symptomen des Widerstands gekämpft, ehe er mit dem Buch „The Legend of Bagger Vance“ den internationalen Durchbruch geschafft hat. Das Buch wurde auch später mit verfilmt. Wie es dem Autor beim Schreiben mit Widerstand gegangen ist, darum geht es in diesem Buch, das sich in 3 Bereiche gliedert: Eigenschaften von Widerstand, wie man als Profi damit umgeht kann und wie man sich für die Muße öffnet.
Eigenschaften von Widerstand
Die meisten Menschen haben zwei Leben. Das eine, das wir in unserem Alltag leben und das andere, das nicht gelebte Leben in uns. Genau zwischen diesen beiden Leben steht nach Pressfield’s Meinung der Widerstand, der folgende Eigenschaften hat:
Unsichtbarkeit: Widerstand kann nicht gesehen, berührt, gehört oder gerochen, aber gefühlt werden. Wenn man offen und ehrlich sich selbst wahrnimmt.
Widerstand ist in uns: Widerstand scheint oft von Außen unser Leben zu stören, die Schuld der anderen Menschen, die Umstände oder sonstige leidliche Situationen. Sündenböcke, Jammerzirkel oder erhobene Zeigefinger lenken uns ab, bringen uns nicht weiter, denn Widerstand ist in uns.
Hinterlistigkeit: Widerstand ist raffiniert und sehr „clever“, findet dauernd in den sabotierenden Selbstgesprächen statt, in der „Prokrastination“, in den dummen Ausreden, um uns von der kreativen Arbeit abzuhalten.
Angst nährt Widerstand: Widerstand scheint keine eigene Kraft zu haben, aber wir nähren ihn durch unsere Angst. Aber es gibt ein Grundgesetz: Je mehr Angst wir vor einer Arbeit oder Berufung haben, desto sicherer können wir sein, dass wir sie tun müssen. Wie der Selbstzweifel ist auch die Angst ein Indikator. Die Angst sagt uns, was wir tun müssen. Vor allem wird der Widerstand am Ende eines kreativen Prozesses am Stärksten!
Verbündete: Widerstand ist zwar zum großen Teil Selbstsabotage, aber er sucht Verbündete. Es sind all die Niedrigenergetiker, Miesepeters, Schlechtredner oder Abgreifer, die nur eines kennen: Neid und Destruktivität. Sie wollen, dass man keinen Erfolg hat, da damit ihr eigenes Unvermögen nicht sichtbar wird.
Im ersten Kapitel des Buchs wird oft der Begriff “enemy” für Widerstand verwendet, spätestens da weiss man auch warum der Buchtitel “War of Art” ist. Es ist in der Tat eine Form des Kriegszustandes, zwischen den eigenen Potentialen und den dagegen strebenden Kräften des Widerstandes.
Vom Amateur zum Profi, Umgang mit Widerstand
Der Profi nimmt den Auftrag an, der ihn in unbekannte Gewässer trägt, der ihn zwingt, unbewusste Teile seiner selbst zu erforschen. Der Profi weiß wie er mit Widerstand umgeht und er macht es folgendermaßen:
Mit der „Angst tanzen“: Der Amateur glaubt, er müsse zuerst seine Angst überwinden, dann könne er seine Arbeit tun. Der Profi weiß, dass die Angst niemals überwunden werden kann. Er weiß, dass es weder einen furchtlosen Krieger noch einen angstfreien Künstler gibt.
Geduld: Widerstand überlistet den Amateur mit dem ältesten Trick der Welt: Widerstand bringt uns dazu, uns in ein Projekt mit einem unrealistischen Zeitplan für seine Fertigstellung zu stürzen. Ein Profi weiss, dass jede Arbeit, sei es ein Roman oder die Gründung eines Unternehmens, doppelt so lange dauert wie man denkt und doppelt so viel kostet.
Scheitern: Der Profi kann es sich nicht erlauben, eine Ablehnung persönlich zu nehmen. Zurückweisung ist, wie Ablehnung und Kritik, die äußere Widerspiegelung des inneren Widerstands.
Evaluierung: Ein Amateur lässt sich nicht von der negativen Meinung, von Neidern und Schlechtrednern „herunterziehen“ und entmutigen. Er nimmt sich die teilweise böswillige Kritik von anderen Menschen nicht zu Herzen und lässt nicht zu, dass sie seinen eigenen Glauben an sich und seine Arbeit übertrumpft. Denn Widerstand liebt das und läßt nicht locker.
„Ship the work“: Dieser Begriff stammt zwar von Seth Godin, aber bringt es auf den Punkt: an der Arbeit dran bleiben, das konsequent und diszipliniert, vor allem sie auch zu Ende bringen
Von der Muße geküsst zu werden
“Eternity is in love with the creations of time.” (William Blake)
Wenn all die harte Arbeit getan ist, man trotz Widerstand in den kreativen Prozess eingetaucht ist, dann kann etwas passieren, was im Buch als Gnade beschrieben wird. Dann scheint in der Tat so etwas zu passieren, wie der „Kuss der Muße“. Als Mensch ist man besten Falls Kanal von etwas größerem Ganzen. Oliver Welter, Leadsänger von Naked Lunch, hat es in einem unserer Talks so treffend beschrieben: “Wenn die Kreativität ruft, dann hat man keine Wahl. Die Kunst sagt, sei mein Arbeiter und der Künstler hat zu gehorchen”.
Das Buch bekommt an dieser Stelle eine sehr spirituelle Seite, verweist auf Geschichten der Mythologie und beschreibt, was uns vor allem daran hindert, dieser „Kanal“ zu werden:
Vergleich: Das bedeutet gegen andere Menschen antreten zu wollen um zu versuchen, seine eigene Position zu erhöhen. Indem jemand versucht nach oben vorrücken zu wollen, während er seinen Platz gegen die Unteren verteidigt, das ist mit der Sicherheit der Tod jedes kreativen, schöpferischen Prozesses.
Bewertung: Sein Glück/Erfolg/Ergebnis anhand eines Ranges in der Hierarchie abzuleiten ist der direkte Weg zum Unglück und zur kreativen Blockade.
Der „Kanal „öffnet sich nicht im Neid, im Vergleichen, im Wichtigtun, im Geschäftigsein, in der Pseudoaktivität, sprich in den engen Grenzen des eigenen Egos. Er öffnet sich vor allem nicht im Schielen auf das Ergebnis oder im krampfhaften Streben, dem kreativen Ergebnis eine Bedeutung zu geben. Der Kanal öffnet sich in Verbindung mit dem „höheren Selbst“ (Pressfield nennt es im Buch “self”), jenseits des habenorientierten kleinen Egos. Damit es vor allem ein Seinszustand.
Aus diesem Grund haben großartige kreative Genies oft das Gefühl der Demut und Gnade, da die kreativen Impulse von einer anderen Ebene kommen dürften: „Do not play the Saxophone, let the Saxophone you“ (Charlie Parker).
Das Buch hat mich sehr berührt und bewegt, denn ich habe genaue diese Phasen oft in vielen Facetten meiner kreativen Prozesse selbst erlebt. Das Buch bringt es auch auf den Punkt, was viele Menschen am Sterbebett bereuen. “Nicht das eigene Leben gelebt zu haben “ wie Bronnie Ware (im Buch „Was Menschen bereuen, wenn sie sterben“) als den am häufigsten genannten Grund beschreibt, den Sterbende am Lebensende bereuen. Der Grund dafür war nichts anderes als der eigene Widerstand in Form der Angst !
Meine ganz persönliche Erfahrung ist aber, dass es sich trotz aller Ängste und Widerstände auszahlt, seinen eigenen kreativen Impulsen und Intuitionen zu folgen und zu vertrauen. Damit sein eigenes Leben zu leben und man nicht irgendwann etwas bereuen muss, etwas nicht getan zu haben.
Und ich hatte auch einen guten Führer, das Leben selber. Denn wenn man dem Leben vertraut, dann vertraut das Leben Dir und dann kann etwas Magisches passieren: es öffnen sich Türen, die vorher verschlossen waren, man trifft Menschen, die einem vorher unbekannt waren und man wird erfüllt von einem Gefühl der Dankbarkeit ein Leben zu führen, dass sich stimmig und richtig anfühlt. Dann werden Klicks, Likes, Aufträge oder sonstige Rückversicherungen irrelevant, ebenso wie Infektionszahlen oder Lockdowns.
Ein größeres Geschenk im Leben kann es nicht geben, das ist die Botschaft dieses Buchs, das ich jedem empfehlen kann, der seinen eigenen Weg gehen will.