Shut Down - Wie wir in Unternehmen wieder lernen zu lernen
Ein „Black Swan“ beschreibt ein Ereignis, das es eigentlich nicht geben kann, unseren Alltag grundlegend verändert und es in Zukunft nicht mehr so sein wird, wie es einmal war. Was wir gerade erleben hat der Wirtschaftswissenschaftler N. Taleb vor über 10 Jahren beschrieben, oft mit Börsenkursen zitiert, selten mit Lernen und Arbeiten in Verbindung gebracht. Wie sich letzteres gerade radikal verändert, darum geht in diesem Beitrag.
Binnen weniger Tage wurde möglich, was jahrzehntelang unmöglich war. Institutionen, Interessensvertretungen, Organisationen oder Bildungseinrichtungen schickten quasi über Nacht hunderttausende MitarbeiterInnen, StudentInnen und SchülerInnen in Form von Homeoffices oder E-Learning in die Eigenverantwortung und Autonomie. Vor allem nicht in Form von Probeläufen in Ferienzeiten, sondern mitten in einer intensiven Zeit von tausenden Anfragen oder Prüfungen.
Diese ersten Tage zeigen, dass unsere Organisationen und Bildungseinrichtungen dies nicht nur verkraften, sondern handlungsfähig bleiben und das System nicht zusammenbricht. Wie ist das möglich?
Selbstreguliertes Lernen
Wir Menschen sind weder Automaten, die nur repetetiv Wissen reproduzieren, noch nur auf unsere Kognitionen reduzierte Wesen. Wenn wir uns etymologisch das Wort „Lernen“ ansehen, erkennen wir in der indogermanischen Wurzel die Bedeutung „ich habe nachgespürt“ schon erste Hinweise. Empfindungen, Emotionen und Erfahrungen sind genauso essentiell für das Lernen wie Autonomie. Wenn Kinder hinfallen, stehen sie freiwillig wieder auf, ohne Zwang und Kontrolle, Lernen geschieht organisch und frei, vor allem aber autonom. Eltern und Lehrer sollten Verhalten vorleben und Struktur schaffen, aber sie „trichtern“ nichts ein und unterstützen damit selbstreguliertes Lernen.
In unserer Bildungsindustrie haben wir aber über Jahrzehnte genau das Gegenteil zelebriert, voll von Lehrplänen und Regularien, voll mit strengen Vorgaben. Nun fast über Nacht wird möglich was nie möglich war – eigenverantwortliches Lernen.
Lernen in Unternehmen nach dem Shut Down
Lernen wird nach dem Shut Down völlig neu gedacht werden müssen. Lernen war bisher noch immer in Unternehmen oft als singuläres Ereignis angesehen, isoliert in einem Lernraum wie einem Workshop, verantwortlich war der Arbeitgeber. Dieser organisiert die Weiterbildung, ermöglicht und bezahlt die Teilnahme.
Die Personalabteilung oder die Abteilung Learning bzw. Development verwaltet die Daten und organisiert, Mitarbeiter verharren in einer passiven Konsumhaltung und Komfortzone, lernen wird delegiert und isoliert.
Im besten Fall sind Workshops auf die Entwicklungspfade der Mitarbeiter angepasst und ausgesucht, leider oft genug nach Lust und Laune gewählt. Transfer im Alltag bleibt dann soundso auf der Strecke, die Wirkung verpufft und was bleibt sind exorbitante Kosten.
In Zukunft müssen Arbeit und Organisationen so aufgestellt werden, dass eigenverantwortliches Lernen möglich wird. Struktur dafür können sogenannten kollaborative Tools (alle auch online möglich) oder On Stage Arbeit bieten, die wir Ihnen gerne vorstellen möchten:
Peer to Peer Lernen
Mitarbeiter und Führungskräfte kommen aus unterschiedlichen Abteilungen zusammen und bringen ihre Themen ein. Ziel ist es, sich zu einem übergreifenden Thema selbstorganisiert auszutauschen und voneinander zu lernen. Zuhören lasst schöpferische Dialoge möglich werden, Abläufe wie das Peer to Peer Counceling geben einen strukturierten Rahmen vor. Jeder wird einmal zum Berater und zum Fragesteller, so lernt jeder vom anderen.
Working Out Loud (WOL)
Das Selbstlernprogramm WOL vermittelt, wie man eigenes Wissen teilt und Zugang zu relevantem Wissen findet. Es wurde 2015 durch ein Buch von John Stepper bekannt, als ein Weg um Beziehungen aufzubauen, die einem helfen ein Ziel zu erreichen, eine Fähigkeit zu entwickeln oder ein neues Thema zu entdecken. Durch das Einbringen von Beiträgen aus eigener Arbeit und Erfahrungen wird jeder Teilnehmer im Lauf der Zeit besser sichtbar.
Der Kern der Methode ist ein 12-wöchiges Programm (der sogenannte WOL-Circle), in dem durch verschiedene Übungen (die Circle-Guides) die TeilnehmerInnen in die Lage versetzt werden, ihre Gewohnheiten an die Prinzipien anzupassen.
On Stage
Klassische Workshops, basierend auf Wissensvermittlung, kognitiven Assoziierungen oder intellektuellen Interpretationen gehören der Vergangenheit an. Persönliches Wachstum bleiben in diesen Settings immer begrenzt, denn was fehlt sind emotionale Lernzonen, die herausfordern und konfrontieren.
Bühne reduziert auf das Wesentliche, da es wie ein Brennglas mit hoher Energiedichte Dinge sichtbar macht, die bisher unbewusst waren.
Praktische Themen aus dem Alltag der Führungskräfte werden szenisch auf die Bühne gebracht, ohne vorgefertigten Methoden oder Konzepte.
Der Fragesteller kommt auf die Bühne stellt seine Fragestellung vor. Aus dem beschriebenen wird eine hochgeladene Situation (Begegnung, Gespräch, …) als konkrete Szene hausgenommen, die eine besonders hohe emotionale Dichte aufweist. Wenn die Szene allen klar ist, wird diese Situation auf die Bühne gebracht, entweder unter Beteiligung des Betroffenen oder er sieht als Beobachter einfach mal zu.
Die Situation wird so in Szene gesetzt, dass sie mit einem emotional geladenen Satz am Anfang beginnt, dann der Szene freien Lauf gelassen wird. Der Inszenierer (Regisseur) behält sich kurze Interventionen vor. Wichtig dabei ist, dass es keine textlichen Vorgaben oder Rollenspiele gibt, sondern man den Fluss des Spiels freien Lauf läßt und die Szene sich organisch entwickeln kann. Dabei kann sichtbar und bewusst werden, was bisher unbewusst war, psychodynamische Konflikte können gelöst werden und vieles mehr können das Ergebnis sein.
Der Shut Down wird das Lernen von Grund auf verändern, Unternehmen und Organisationen sind nun aufgefordert selbstgesteuerten, organisches Lernen zu ermöglichen– dabei werden viele eine Erfahrung machen: wieviel Freude Lernen machen kann!
Weiterführende Tipps:
Wie Sie mit Peer Counseling das Teamergebnis verbessern
Was auf der Bühne passiert, beschreibt Oliver Welter (Leadsänger Naked Lunch) in diesen Journalbeiträgen.
Mehr zu On Stage
Autor: Mag. Werner Sattlegger, Founder und CEO Art of Life