Silicon Valley Insights

Massenkündigungen, Korrekturen von Unternehmensbewertungen, Despoten wie Elon Musk sowie zuletzt die Tragödie um den Zusammenbruch der FTX Börse, wo Millionen Anleger Geld verloren haben – das war zuletzt Alltag im Silicon Valley.

Leadership bei schönem Wetter ist einfach, Erfolg vermehrt Erfolg, züchtet aber zugleich Selbstüberschätzung und Hybris.Do not fly too high” bedeutet die Bodenhaftung und damit Mitarbeiter zu verlieren, was fatale Folgen haben kann. Was die Gründe dafür sind und was man tun kann, darum geht es in diesem Beitrag.

FTX: FLYING TO CLOSE TO THE SUN

  • Die Geschichte von Sam Bankman-Fried

Sam Bankman-Fried war der Goldjunge der Kryptowirtschaft, ein shining star einer neuen Finanzepoche. Er ist der Sohn von 2 Stanfordprofessoren, studierte Physik am Massachusetts Institute of Technology, arbeitete danach bei einer renomierten Tradingfirma und gründete die Kryptobörse  FTX , die nach seiner Gründung 2019 rasant Marktanteile eroberte.

Er lockte Investoren wie Sequoia, eine der schärfsten Risikokapitalfirmen des Silicon Valley, und Temasek, dem Staatsfonds von Singapur. Bankman-Fried nutzte seine Referenzen und seinen Reichtum (im Januar war es 32 Milliarden Dollar wert), um an Politiker zu spenden, seine Ansichten zur Regulierung durchzusetzen und Wettbewerber aufzukaufen. Er plante, einen Großteil des Restes zu verschenken, da er sich dem „effektiven Altruismus“ verschrieben hat, einer Bewegung, die sich für wohltätige Spenden zur Sicherung der Zukunft der Menschheit einsetzt.

  • Der Zusammenbruch

Nachdem Gerüchte aufkamen, dass FTX nicht mehr ausreichend liquide sein könnte, zogen Kunden am 7. November 650 Mio. $ von der Börse ab, bevor diese aufhörte, Anfragen zu erfüllen. Der Rest ist Geschichte, über 15 Millarden Dollar wurden innerhalb eines Tages vernichtet. FTX musst Konkurs anmelden und Millionen von Menschen bangen um ihr Geld.

Wie konnte es soweit kommen ?

MATTHÄUS EFFEKT

Der US-Soziologe Robert K. Merton formulierte 1968 das Phänomen der positiven Rückkopplung als „success breeds success“, was man umgangssprachlich auch etwas unfeiner übersetzen kann, mit „Der Teufel stoffwechselt stets auf den dicksten Haufen.

Menton bezog seine These damals  auf Zitierhäufigkeit bekannter Wissenschaftsautoren: Er konnte nachweisen, dass prominente Autoren aufgrund ihres Bekanntheitsgrades wesentlich häufiger zitiert wurden als unbekannte, was wiederum die Prominenz der Gurus noch weiter steigerte.

Nach weiteren Untersuchungen gab es aber auch Hinweise für weitere Anwendungsbereiche, wie zum Beispiel:

  • Ein Buchautor schreibt einen Bestseller”. Sein Name wird weltbekannt, seine weiteren Werke landen ebenfalls in den Bestsellerlisten.

  • Eine Schauspielerin schafft den Durchbruch”, jetzt stellt sie ihre eigene Modelinie auf und kreiert Parfüms, die ebenfalls ein Erfolg werden.

  • Ein lokaler Unternehmer stellt sich der Wahl zum Bürgermeister.” Da er allen als erfolgreicher Mann bekannt ist, erhält er den Posten und wird bei der folgenden Wahl bestätigt, obwohl die erste Amtszeit durchaus kritikwürdig war.

  • Wenn eine bekannte VC Firma investiert, dann ziehen auch andere”. Auch in der Venture Capital Industrie ist dieses Phänomen weitverbreitet. Bekannte Venture Firmen haben leichteren Zugang zu Ressourcen, bessere Informationen und werden auch zu sogenannten Syndikatsinvestitionen eingeladen, ohne genau die Zahlen zu überprüfen.

Bankman-Fried hat diesen Matthäuseffekt bedient, es fanden keine due dilligences statt, celebrities wie Bill Clinton gaben leichtfertig Testimonials ab und tausende Kleinanleger folgten den Empfehlungen.

Aber vor allem auch in Österreich und Deutschland erleben wird dieses Phänomen, wie es entweder Wirecard oder Signa gezeigt hat. Medien, Politik, Investoren oder Dienstleister, kaum jemand traute sich genauer hinzusehen oder kritische Fragen zu stellen, Glanz und Glorie waren wichtiger als kritische Vernunft. Sich anbiedern, dabei sein zu wollen im Scheinwerferlicht, vor allem nichts zu versäumen, wenn es um gute und satte Gewinne geht.

“FomO” – Fear oF Missing Out 

Fear Of Missing Out oder kurz FOMO ist die die Angst etwas zu verpassen, sei es im privaten Kontext oder auch in beruflichen Situationen, oder im Bereich der Finanzanlage. Der Begriff ist erstmals vom Autor Patrick James McGinnis im 2004 in einem Artikel im Magazin der Harvard Business School erschienen.
Wenn Anleger aus Angst höhere Kurse zu verpassen, ihre Cash-Quote reduzieren und in den Markt einsteigen, treibt das die Aktienkurse weiter an. Die Aktienmärkte steigen durch diesen Effekt schneller an und entkoppelten sich von der realwirtschaftlichen Entwicklung.

AUSBLICK

Konkurse verursachen monetäres Leid und sozialen Flurschaden. Wir alle wollen oft hoch hinaus, vor allem im Silicon Valley ist der sogenannte Moonshot Gesetz. Doch wie so alles im Leben, birgt dies auch die Gefahr der Übertreibung, der Hybris und der Gier.

Selbsterkenntnis und Selbsteinschätzung gibt es nicht im Sonderangebot oder zum Rabbat, sondern das Ergebnis persönlicher Entwicklung, für die es keine Abkürzungen gibt. In meinen Buch Art of Leadership nenne ich es “Die Kunst reifer Führung” als effektiven Weg auch in unsicheren Zeiten stabil zu führen, Orientierung zu geben und Potentiale der Mitarbeiter zu entfalten.

Wir sollen unsere Potentiale entfalten, hoch fliegen und Fülle erleben, aber wenn wir der Sonne zu Nahe kommen, dann können die dunklen Seiten unseres Sein zum Vorschein kommen.

  • Masslosigkeit, Selbsterhöhung, Überheblichkeit, davor ist niemand ist gefeit. Wenn dies aber in Führungspositionen passiert, so kann dies gefährlich werden und großen Schaden anrichten.

Ich hatte immer schon ein körperliches Unbehagen, wenn junge Menschen in der Wirtschaft oder Politik so unfassbar erhöht wurden und in den Himmel gelobt wurden. Jeder ist nur ein Mensch und niemand ein Messias.

Ich bin der Überzeugung, dass es das schnelle Geld, den “quick win” nicht gibt - aus diesem Grund folgen wir in der Art of Life auch einer Spur zu Unternehmen und Führungskräfte, die über den Tellerrand hinaussehen wollen, die langfristig denken, sich für das Neue öffnen, an ehrlichem und offenem Austausch interessiert sind und persönlich wachsen wollen. Im Sinne von “Make meaning and money will follow”( Kawasaki) freuen wir uns schon wieder sehr auf unsere nächste Lernreise, wo wir wieder Lösungen für echte Probleme und von der Zukunft her denken, ich freue mich schon sehr darauf.

Autor: Werner Sattlegger, Founder Art of Life

Tip:

Executive Silicon Valley Learning Journey, 03.Juni-07.Juni 2024

Lesetipps:

Werner Sattlegger: “Die Kunst reifer Führung”, 2022

 

Autor: Werner Sattlegger
Founder & CEO Art of Life

Experte für digitale Entwicklungsprozesse, wo er europäische mittelständische Familien- und Industrie-unternehmen von der Komfort- in die Lernzone bringt. Leidenschaftlich gerne verbindet er Menschen und Unternehmen, liebt die Unsicherheit und das Unbekannte, vor allem bewegt ihn die Lust am Gestalten und an Entwicklung.