Zukunft der Arbeit

Künstliche Intelligenz, die unheimliche, stille Bedrohung, welche Menschen ersetzt und Jobs vernichtet. “Das brauchen wir nicht, uns ist der Mensch wichtig”, so oder ähnlich hörte ich es in den letzten Jahren aus dem Mittelmanagement, wenn es um die Einführung Künstlicher Intelligenz ging. Widerstand des Mittelmanagements, das Neue nicht zu wagen und lieber in der Komfortzone bis zur Pensionierung zu bleiben, das waren die beliebten reaktiven Muster.

Aber Arbeitskräftemangel und demographischer Wandel verändern nun vieles, nun steht unser Wohlstand und die Wettbewerbsfähigkeit vieler Unternehmen auf dem Spiel. Die nahende Rezession wird diesen Trend noch beschleunigen, viele Unternehmen werden sich ineffiziente Prozesse nicht mehr leisten können.

Aber wir sind diesen Entwicklungen nicht hilflos ausgesetzt, denn mittlerweile kann Künstliche Intelligenz nicht nur den Arbeitskräftemangel reduzieren, sondern leicht anwendbar Produktivität steigern. Das fordert aber vor allem Führungskräfte in ihren menschlichen Fähigkeiten, viele Tätigkeiten werden völlig neu definiert werden. Genau das haben wir bei unserer letzten Lernreise im Silicon Valley im Oktober 2022 erfahren, wie dies ganz praktisch aussehen kann und was Sie als Führungskraft tun können, darum geht es in diesem Beitrag.

Demographischer Wandel und Arbeitskräftemangel

Im Silicon Valley haben wir erfahren, wie trotz Entlassungswelle der Arbeitskräftemangel die Produktivität vieler Unternehmer in den USA gefährdet, wobei dies erst der Anfang einer dramatischen Entwicklung ist. Denn der Anteil der Bevölkerung in den USA im Alter von 20 und 64 Jahren (die im Arbeitsprozess stehen) ist von 60 % im Jahr 2010 auf 59 % im Jahr 2020 gekippt.

Nach Schätzungen der Weltbank wird dies bis 2030 sogar auf 56 % fallen, in Großbritannien und der Eurozone wird der Anteil zwischen 2020 und 2030 voraussichtlich von 58 % auf 56 % bzw. von 59 % auf 56 % sinken. Zusätzlich verschärft die rückläufige Zuwanderung dieses Problem, auch wenn global Populisten damit Kleingeld und Wahlen versuchen zu gewinnen.

Aber die Zahlen sprechen eine andere Sprache: so lag im Jahr 2019 die Nettozuwanderung nach Amerika bei 595 000 und damit auf dem niedrigsten Stand seit über einem Jahrzehnt. Die Pandemie führte zu einem weiteren Rückgang auf 247.000 im Jahr bis Juni 2021.

In Deutschland stieg die Zuwanderung Mitte der 2010er Jahre zwar sprunghaft an, aber als das Land seine Türen im Jahr 2015 für Flüchtlinge öffnete, ging es in den folgenden Jahren dramatisch zurück. In der folgenden Übersicht sehen Sie diese Entwicklung in den USA, vor allem nach Branchen aufgeteilt. (Quelle Economist)


Wie könnte nun Künstliche Intelligenz dieses Problem lösen? Bevor uns dieser Frage nähern, müssen wir zuerst noch definieren, was Künstliche Intelligenz überhaupt ist.

Was Künstliche Intelligenz ist

Digitalisierung bedeutete bisher, dass Computerprogramme einer Reihe von Schritten gefolgt sind, die vorher manuell von Programmierern erstellt worden sind. Im Gegensatz dazu erhält bei Künstlicher Intelligenz der Computer annotierte Daten, dadurch können notwendige Lösungsschritte selbständig erlernt werden. Künstliche Intelligenz kann damit in die Lage werden die Eingabe zu interpretieren und daraufhin die Ausgabe selbständig anzupassen.

So ist es kein Wunder, dass eine Studie des McKinsey Global Institute zum Ergebnis kommt, dass bis zum Jahr 2030 ein weltweiter jährlicher Wachstumsschub für das Bruttoinlandsprodukt in der Höhe von durchschnittlich 1,2 Prozentpunkten von den Entwicklungen auf dem Gebiet der KI ausgehen. Damit übertrifft KI die Wachstumsschübe, die seinerzeit von der Dampfmaschine ausgegangen sind (+ 0,3 Prozent­punkte).

Trotzdem setzten nur rund 6 % der deutschen Unternehmen Künstliche Intelligenz ein, weil es zu Künstlicher Intelligenz noch viele Berührungsängste gibt. Wenn Unternehmen heute Künstliche Intelligenz schon anwenden, dann in folgenden Bereichen:

Anwendungsbereiche und Trends

KI wird heute in mittelständischen Industrieunternehmen vor allem in der Supply Chain, in der Logistik, für eine zielgenauere Werbung oder ein verbessertes Kundenservice angewendet. Von den Technologien sind es vor allem die intelligente Automatisierung, intelligente Sensorik sowie intelligente Assistenzsysteme, wie an der folgenden Tabelle ersichtlich ist. (Studie “Künstliche Intelligenz im Mittelstand”, Bundesministerium für Wirtschaft)

Die Entwicklung Künstlicher Intelligenz schreitet rasant voran, vor allem die Implementierung und Anwendung sind sehr einfach geworden. So sind es sogenannte Low-Code und No-Code Anwendungen, die es jedem möglich macht, KI zu implementieren und anzuwenden. Für die KI Einführung sind nicht mehr zahlreiche IT Spezialisten notwendig, sondern es kann in Form eines “Baukastensystemen” von jedem Lernwilligem mit Hausverstand angewendet werden.

No-Code bedeutet, dass für die KI-Anwendungen kaum IT-Kenntnisse erforderlich sind. Vor allem sind keine hohen Anfangsinvestition erforderlich, meistens gibt es ein Abomodell (SaaS) mit einem Probemonat.

Hier stellen wir Ihnen ein paar interessante Lösungen vor, die wir bei unserer Lernreise kennengelernt haben:

  • Kundenservice in Echtzeit mit KI

Natürliche Sprachen, auch in geschriebener Form, dienen im Geschäftsleben dem Austausch von Informationen wie Dateien, Lieferscheine, Rechnungen,E-Mails, Kundenkommentare, Präsentationen, und vieles mehr. Natural Language Processing (NLP) verarbeitet dank KI natürliche Sprache und versetzt Computer in die Lage, menschliche Sprache zu verstehen, zu interpretieren und zu verarbeiten.

Eine spannende Anwendung dazu sind sogenannten Chatbots oder Question-Answering-Systeme als virtuelle Assistenten, die sich in letzten beiden Jahren atemberaubend entwickelt haben. Mittlerweile sind diese Lösungen super schnell und intelligent, leicht zu bedienen, antworten in Rekordzeit und lassen die Kundenzufriedenheit damit nicht nur explodieren, sondern können das Problem des Arbeitskräftemangels lösen. Denn gerade der Kundencenterbereich ist existentiell für viele Unternehmen, denn immer weniger Menschen wollen in Callcenters arbeiten.

Im Silicon Valley durften wir dazu das deutsche Unternehmen cognigy besuchen, das zum Beispiel die intelligente Automation von Kundenservices in mehr als 100 Sprachen anbietet, um automatisiert in natürlicher Sprache mit Nutzern zu kommunizieren. Kundenfragen können so beantwortet werden, wenn der Bedarf am größten ist. Deren virtuelle KI-Agenten sind 24 Stunden am Tag, 7 Tage die Woche verfügbar.

  • KI und Dokumentenverarbeitung

Intelligent Document Processing (IDP) ist eine intelligente, automatisierte Analyse von Dokumenten und ermöglicht ganz neue Arbeitsmethoden, da Unternehmen interne, langwierige und fehleranfällige Prozesse vollständig automatisieren können.

Beispiel Kundenorientierung: Im Servicecenter eines größeren mittelständischen Unternehmens gehen täglich mehrere hundert Anfragen zu vertrags- und tarifbezogenen Anliegen ein, meistens von B2C-Kunden ein. Egal was, ob Bankverbindung, vertragsbezogene Beratung oder Anfragen, all diese Prozesse sind langsam, da Mails, Briefe, Fax oder Telefone verwendet werden und die frustrierte Kunden lange warten müssen.

Mit Hilfe von KI ist z.B. ein automatisiertes stichwortabhängiges Scannen der Post (Öffnen und Querlesen) oder ein automatisierte Kategorisieren von einkommenden E-Mails möglich, was bisher Sachbearbeiter zeitaufwendig durchführen. KI kann dadurch die Kundenabsicht und Kundenanliegen im Rekordtempo identifizieren und umsetzen.

Im Silicon Valley haben wir dazu das deutsche Unternehmen Automation Hero besucht, das mit KI-Technologien intelligente Automatisierungen von dokumentenzentrierten Prozessen ermöglicht. Die Ergebnisse sind mehr als verblüffend, enorme Kosteneinsparungen und Produktivitätsverbesserungen sind die Folge.

  • Qualitätssicherung mit KI

Für Industrieunternehmen kann Qualitätssicherung existentiell sein, können doch fehlerhafte Produkte sogar Rückholaktionen oder Bandstillstände bei Kunden verursachen, mit astronomischen Folgekosten. Viel zu oft wird Qualitätssicherung noch manuell von Menschen durchgeführt, Ungenauigkeiten und Fehlern inkludiert. Noch dazu wird es immer schwieriger, geeignetes Personal für diese verantwortungsvolle Tätigkeit zu finden, die Folgen sind enorm: hohe Kosten, unzufriedene Kunden und Umsatzrückgang.

Im Rahmen unserer Lernreise haben wir Relimetrics kennengelernt, mit Standorten in Berlin und San Francisco. Das Unternehmen hat Lösungen entwickelt, mit denen der Anwender ohne eine einzige Zeile Code zu schreiben visuelle Inspektionen automatisieren kann, inklusive vollständiger Rückverfolgbarkeit der Qualität in allen Produktionsphasen. Anwendungen finden sich in der maschinellen Fertigung jeglicher Form oder in der Luftfahrt, im Bauwesen oder in der Elektronik. Die Detektionsgenauigkeit liegt dabei über 99 % , mit einer garantierten 24/7V Verfügbarkeit.

Auswirkungen auf das Führungsverhalten

Künstliche Intelligenz bedeutet nicht nur den Einsatz neuer digitaler Lösungen, sondern verändert Führung und Organisation grundlegend. Fehleranfällige, langsame und manchmal langweilige Prozesse können automatisiert werden, Prozesse werden produktiver und schneller. Tätigkeiten und Ressourcen verschieben sich, was nicht die Vernichtung von Jobs bedeutet.

Ganz im Gegenteil, langweilige und fehleranfällige Tätigkeiten werden zwar automatisiert werden, aber dafür können MitarbeiterInnen Ihre Fähigkeiten wie Kreativität oder Innovation entfalten, die einen Mehrwert schaffen. Und für viele der hier beschriebenen Tätigkeiten wird es in der Zukunft ohnehin auf Grund des demographischen Wandels kein Personal mehr geben.

Ausblick

Denn am Ende des Tages zählt die Wertschöpfung und damit die Produktivität, sprich was ist der Beitrag und Mehrwert einer Arbeit. Für Führungskräfte bedeutet diese Entwicklung eine große Herausforderung, denn die Analyse von Daten und Zahlen wird in Zukunft Künstliche Intelligenz tun, ebenso wie die meisten der automatisierten Tätigkeiten. Das kann und wird viele Unternehmen ihre Wettbewerbsfähigkeit sichern, da der Personalmangel schon jetzt existentiell ist.

Nun sind aber Führungskräfte vor allem auch als Menschen gefordert, ihre MitarbeiterInnen zu entwickeln, ihre Potentiale erkennen und fördern. Das gelingt durch Zuhören, Beobachten und in der Entwicklung von Visionen, die im Unternehmen gelebt werden.

Die Teilnehmer der letzten Lernreise haben nicht nur eine Fülle an Anwendungen und sondern auch die Erkenntnis mitgenommen, dass sich die Arbeitswelt gerade rasant verändert und Künstliche Intelligenz nicht Bedrohung, sondern Chance sein kann.

Diese wollen und werden wir nutzen, bei unserer nächsten Reise im Juni werden wir weitere spannende Lösungen kennenlernen und lernen, wie diese den Personalmangel lösen.

Autor: Werner Sattlegger, Founder Art of Life

Tip:

Executive Silicon Valley Learning Journey, 26. Juni - 30. Juni, 2023

Lesetipps:

Werner Sattlegger: “Die Kunst reifer Führung”, 2022

Glosar

  • As-a-Service-Dienste (aaS) 

Unter As-a-Service-Diensten versteht man einen Ansatz, einem Nutzer Software, Plattformen oder Infrastrukturen via Cloudlösung als Dienstleistung zur Verfügung zu stellen.

  • Chatbot

Ein Chatbot ist ein text- oder sprachbasiertes Dialogsystem, welches die Kommunikation mit einem technischen System erlaubt.

Schwache KI 

Bei schwacher KI steht die Lösung konkreter Anwendungsprobleme mittels KI-Technologie im Fokus. Zum Einsatz kommen verschiedene Methoden der Informatik, die bestimmte Aspekte menschlicher Intelligenz nachbilden, um ein formuliertes Ziel zu erreichen.

Starke KI

Bei starker KI geht es um die Schaffung einer allgemeinen Intelligenz, die dem Menschen in all seinen Facetten mindestens ebenbürtig ist, im Fokus. Dafür wäre es notwendig, dass ein solche starke KI ein 

 

Autor: Werner Sattlegger
Founder & CEO Art of Life

Experte für digitale Entwicklungsprozesse, wo er europäische mittelständische Familien- und Industrie-unternehmen von der Komfort- in die Lernzone bringt. Leidenschaftlich gerne verbindet er Menschen und Unternehmen, liebt die Unsicherheit und das Unbekannte, vor allem bewegt ihn die Lust am Gestalten und an Entwicklung.