Social Status Games

Insolvenzen, Kündigungen oder Rezession in Österreich bringen gerade viele Selbstverständlichkeiten ins Wanken, wie sichere Jobs, Planbarkeit oder Wohlstand.
Besonders in Österreich spiegelt sich diese Veränderung in unserem Statusdenken wieder, wie z. B. das “unter Druck kommen” der sogenannte Mittelschicht. Gleichzeitig erlebe ich an der Westküste der USA bei unseren Silicon Valley Lernreisen einen Wirtschaftsboom in einer Gesellschaft, wo ich flachere Hierachien, weniger Neid und geringeres Statussymboldenken wahrnehme.

Soziale Hierarchien sind völlig normal und durchaus wichtig. Doch in einer schnelllebigen, dynamischen Welt stellt sich die Frage:

  • Stehen uns diese Strukturen manchmal im Weg? Über diese Gedanken möchte ich hier reflektieren und teile hier gerne meine Erfahrungen.

Was ist sozialer Status?

Der Begriff Status stammt aus dem Lateinischen „status“ und bedeutet so viel wie Zustand, Lage oder Stand. Er leitet sich vom Verb „stare“ ab, das für „stehen“ oder „feststehen“ steht. Ursprünglich bezeichnete Status den festen Zustand oder die Stellung einer Person oder Sache. Im Laufe der Zeit wurde der Begriff erweitert, um gesellschaftliche, rechtliche und organisatorische Positionen zu beschreiben.

In diesem Kontext spreche ich jedoch vom gesellschaftlichen Status, den wir in Organisationen und der Gesellschaft erleben.

Entscheidend ist dabei nicht der Status an sich, sondern der soziale Vergleich: Statusdenken zeigt sich in dem Streben nach mehr Respekt und Anerkennung im Vergleich zu anderen. Zufriedenheit mit dem eigenen Status ergibt sich also aus dem Gefühl sozialer Überlegenheit.

Ein wesentlicher Unterschied zwischen Status und Macht ist dabei zu beachten: Macht bezieht sich auf die individuelle Kontrolle über wertvolle Ressourcen, während Status primär auf sozialer Anerkennung beruht. Hoher Status bedeutet also nicht automatisch ein hohes Maß an Macht, letzteres kann auch zur sog. Hybris führen.

historische wurzel des Status Denkens?

Das Streben nach Status hat tiefe evolutionäre Wurzeln. In der Steinzeit war der eigene Status innerhalb einer Gruppe überlebenswichtig:

  • Hoher Status sicherte Zugang zu Ressourcen, Schutz und Partnerwahl. Diese Vorteile erhöhten die Überlebens- und Fortpflanzungschancen.

Eine Metastudie von Anderson et al. (2015) unterstreicht, dass der Wunsch nach Statuserlangung ein grundlegendes menschliches Bedürfnis ist.

Die Erwartungszustandstheorie bietet eine Erklärung dafür, warum soziale Hierarchien in kleinen, aufgabenorientierten Gruppen entstehen. Der Theorie zufolge führen sowohl bekannte Informationen als auch implizite Annahmen auf der Grundlage bestimmter Merkmale dazu, dass eine Person eine Einschätzung der Fähigkeiten, Fertigkeiten und des Wertes einer anderen Person entwickelt.

  • Wenn diese Kombination günstig ist, werden wir ihre Fähigkeit, zur anstehenden Aufgabe beizutragen, positiv beurteilen.

Social-Status-Games

Natürlich macht jeder von uns mit bei diesem Spiel, seinen Status noch mehr zu erhöhen. Status bedeutet Anerkennung, bedeutet „Wichtigkeit“ im Sinne von:

  • Andere bemühen sich um einen. Es bedeutet, dass andere Menschen “einen umkreisen und etwas von einem brauchen”, was das Gefühl der Großartigkeit bedeuten kann, letztlich ich werde geliebt und gemocht.

Aber nicht nur der eigene Wert als Mensch wird erhöht, indem man das Gefühl hat, geliebt zu werden, sondern auch der Wert im ökonomischen Sinne:

  • Erhöhte Aufmerksamkeit kann gerade in Zeiten von Social Media den eigenen Marktwert erheblich erhöhen und damit zu einem höheren Einkommen führen.

Schon Erich Fromm hat in seinem Klassiker Haben und Sein darauf hingewiesen, dass der Mensch immer mehr zur Ware wird, die Kommunikation nur mehr eine Transaktion ist und menschliche Beziehungen verzweckt werden. So erlebe ich das auch sehr oft, vor allem im gesellschaftlichem Kontext: bei neuen Begegnungen geht es oft vor allem darum, wie wichtig und nützlich ist mir der andere, kann ich von ihm profitieren, erhöhrt er mir meinen Wert etc.

  • Daher sind meiner Erfahrung nach vor allem Freundschaften aus sehr frühen Lebensjahren so wertvoll, weil sie noch nicht von all den Fragen nach Status oder Bewertung überlagert sind. Man sieht den anderen so, wie er wirklich ist – ohne Interpretation oder gesellschaftliche Schablonen – einfach, weil man sich aus einer Zeit kennt, in der Statussymbole keine Rolle gespielt haben. Vor allem aber hat man gemeinsame Erlebnisse geteilt, die unvergesslich bleiben und dadurch eine besonders starke Bindung schaffen.

Welche statussymbole gibt es?

Unsere Statussymbole sind allgegenwärtig – von den Marken, die wir tragen, bis zu den Geschichten, die wir über unseren Lebensstil erzählen. Sie erfüllen unser Bedürfnis nach Anerkennung und Zugehörigkeit, können jedoch auch zu einem teuren und oberflächlichen Wettkampf werden, wie z. b.

  • Autos, Kleidung, Uhren, Häuser, etc: letztlich alles was im Alltag nach außen sichtbar wird.

  • Titel: der Klassiker in Österreich!

  • Urlaube: Exotische Reiseziele werden oft nicht zufällig gewählt, da sie besser klingen als “Jesolo”.

  • Wohnort: ebenso Adressen in einer exklusiven Gegenden.

  • Hobbys: Aktivitäten wie Golf, Yachting oder Kunstsammlungen sind oft auch keine Zufallsprodukte.

Damit wird klar, dass die gesamte Konsumgesellschaft letztlich auch darauf aufgebaut ist und die Kaufmotive oft sehr deutlich davon abhängen. Wir kaufen ein Auto nicht, weil es uns von A nach B bringt, sondern weil er unseren Status absegnet.

Aber wenn wir glauben, das beginnt erst im Erwachsenenalter, der täuscht sich. Studien belegen, dass dies bereits im Alter von fünf Jahren beginnt –

  • wer hat die besseren Spielzeuge und größeren Kindergeburtstage?

  • Aber Kinder müssen auch für das Sozialprestige der Eltern herhalten, um den Wert der Eltern mit anderen zu erhöhen. Klassiker sind Privatschulen, internationale Schulen oder renommierte Universitäten, die tolle Sportkarriere oder Musikleistungen. Was auch immer: Das Kind soll nicht Kind sein, sondern dient als Objekt und Ware, um den Wert der Eltern zu erhöhen.

Status in der Kommunikation

Status wirkt sich vor allem auch in der Kommunikation aus. Wir sprechen mit Menschen eines höheren Status anders als mit einem Menschen eines niedrigeren Status.

Zum Beispiel:

  • Wir sprechen anders mit Erwachsenen als mit Kindern.

  • Auf die Meinung von Experten reagieren wir anders als auf die von unbekannten Laien.

  • Gegenüber Freunden verhalten wir uns instinktiv lockerer und informeller als gegenüber dem eigenen Chef.

Das Statusspiel kann sogar abrupt wechseln, wenn sich der Status einer Person ändert.

  • Ein Klassiker: Der Kollege avanciert zum Chef. Eben noch Vertrauter und Verbündeter ist der Büronachbar nun Vorgesetzter im Wortsinn. Schlagartig wechselt sein Status und nimmt damit Einfluss auf unser Verhalten: Wir reden anders mit einem Ex-Kollegen, sagen ihm weniger, und sogar unsere Körperhaltung und -sprache wechseln zusammen mit dem Ton und der Mimik.

Wer schnell zwischen solchen Verhaltensmustern wechseln und sich flexibel anpassen kann, der besitzt Statusintelligenz.

New Work – Status-Leveling: Hierarchien in Organisationen auflösen

Gerade im Silicon Valley erleben wir die Formen von New Work, die sich vor allem in Ergebnisorientierung, Selbstorganisation und flachen Hierarchien zeigen. In Europa tun wir uns damit schwer, wir führen manchmal agile Teams ein oder versuchen uns in Design Thinking Workshops. Doch klassische Hierachien wollen wir ungern aufgeben, da sie oft mit einem Machtverlust einhergehen.

Die Praxis des Status-Leveling, erstmals von Zhang und Morand (2014) beschrieben, zielt darauf ab, Statusunterschiede in Organisationen zu reduzieren und egalitäre Kulturen zu fördern. Dies basiert auf dem Konzept des High-Involvement-Managements (HIM), das Mitarbeiter stärker in Entscheidungsprozesse einbindet und ihre Motivation steigert.

Typische Maßnahmen des Status-Leveling umfassen:

  • Räumlichkeiten: Abschaffung von privilegierten Parkplätzen, getrennten Speiseräumen oder exklusiven Büros für Führungskräfte.

  • Kleidung: Förderung informeller Dresscodes statt klassischer Anzüge.

  • Anrede: Abbau von formellen Titelstrukturen und Einführung informeller Kommunikation.

Diese Ansätze dezentralisieren Entscheidungsbefugnisse und schaffen eine inklusivere Unternehmenskultur, die auf Zusammenarbeit und Gleichheit setzt – eine immer wichtigere Strategie in komplexen und dynamischen Umfeldern.

Was passiert bei Statusverlust?

Wenn der Status einer Person sinkt, kann das weitreichende Folgen haben. Statusverlust geht oft mit einem Verlust des Selbstwertgefühls und des sozialen Ansehens einher, was Menschen sowohl psychisch als auch sozial isolieren kann. Dies geschieht besonders dann, wenn der eigene Wert als Mensch von diesen Statussymbolen abhängt – eine Dynamik, die häufig unweigerlich eintritt.

Es entstehen Gefühle der Unsicherheit und das Empfinden, "nicht mehr dazuzugehören". Dies kann zu depressiven Verstimmungen und Ängsten führen, die sich bis hin zu einer schweren Lebenskrise steigern können.

Was sind die Nachteile von Statusspielen?

Auch wenn Status evolutionsbedingt für den Zugang zu Ressourcen wichtig war, haben seine Bedeutung und Ausprägung durch die Möglichkeiten der Konsumgesellschaft und Social Media exorbitant zugenommen. Dabei treten auch zunehmend Schattenseiten zutage, wie zum Beispiel:

Verhindert Beziehungen – Ersatzkontakt
Statusspiele fördern oft Oberflächlichkeit und verhindern tiefere, authentische Beziehungen. Menschen treten in Konkurrenz zueinander, anstatt Vertrauen aufzubauen. Beziehungen werden mechanisch, funktional und berechnend, der Mensch zur Ware. Nicht mehr der nährende und offene Austausch mit dem anderen steht im Mittelpunkt sondern das Trennenden.

Nullsummenspiel – andere werden hinuntergezogen
Das Streben nach Status ist häufig ein Nullsummenspiel: Der Gewinn einer Person bedeutet den Verlust einer anderen. Dadurch wird nicht nur der soziale Zusammenhalt geschwächt, sondern auch eine destruktive Dynamik gefördert, es fördert Verlierer, schürt Ängste und Verunsicherung.

  • Studien: Anderson und Brown (2010) zeigten, dass Statusdifferenzen in Teams häufig zu Spannungen, Misstrauen und ineffizienter Zusammenarbeit führen. Wilkinson und Pickett (2009) argumentierten in ihrem Buch The Spirit Level, dass Gesellschaften mit starken Statusunterschieden auch höhere Raten an Gewalt, Krankheit und sozialer Unzufriedenheit aufweisen.

Materialismus und Überkonsum

Statusdenken kann Menschen dazu treiben, materielle Symbole des Erfolgs wie Luxusgüter oder teure Marken anzuhäufen, um ihren Status zu demonstrieren. Dies führt nicht nur zu finanziellen Problemen, sondern schadet auch der Umwelt.

  • Studien: Richins und Dawson (1992) fanden in ihrer Forschung über Materialismus heraus, dass Menschen mit starkem Statusdenken oft unzufriedener sind, weil sie Glück und sozialen Wert zu sehr an materiellen Gütern festmachen.

Ethik und Verantwortung

Menschen, die extrem auf ihren Status fokussiert sind, können ethische Werte und soziale Verantwortung vernachlässigen. Statusstreben kann Egoismus, Manipulation und sogar Korruption fördern.

  • Studien: Piff et al. (2012) fanden heraus, dass Menschen mit einem höheren Status oft weniger Empathie und prosoziales Verhalten zeigen, da sie sich stärker auf die eigenen Vorteile konzentrieren.

Ausblick:

Wir leben in Zeiten großer Verunsicherung und Orientierungslosigkeit. Viele Menschen erleben den Verlust ihrer Statussymbole, während andere neue Statussymbole erhalten. Doch alle unterliegen dem Wandel und sollten sich von der Illusion befreien, dass Statussymbole Lebensglück oder Zufriedenheit bedeuten – denn es wird immer jemanden geben, der mehr hat.

  • Für mich liegt der entscheidende Punkt jedoch hier: Gerade in Zeiten der Künstlichen Intelligenz werden reife und gesunde Beziehungen den Unterschied machen. Solche Beziehungen können sich nicht in den trügerischen Irrlichtern von Statussymbolen entfalten. Das ist vor allem das, was uns als Menschen ausmacht und wird auch die Basis für zukünftigen Wohlstand seink denn diese menschlichen Beziehungen wird Künstliche Intelligenz nicht ersetzen können.

Author: Werner Sattlegger, Founder and CEO Art of Life

Sources:

Events:

Executive Silicon Valley Learning Journey, 02. Juni - 06.Juni, 2024

Werner Sattlegger: “Die Kunst reifer Führung”

 

Autor: Werner Sattlegger
Founder & CEO Art of Life

Experte für digitale Entwicklungsprozesse, wo er europäische mittelständische Familien- und Industrie-unternehmen von der Komfort- in die Lernzone bringt. Leidenschaftlich gerne verbindet er Menschen und Unternehmen, liebt die Unsicherheit und das Unbekannte, vor allem bewegt ihn die Lust am Gestalten und an Entwicklung.