Passive Aggression als Widerstand
„Schweigen, Arbeit liegen lassen oder sarkastische Bemerkungen“, das alles können Hinweise für ein sehr weitverbreitetes Phänomen in Organisationen sein: Widerstand in Form von passiver Aggressivität. Wie diese entsteht und oft notwendige Veränderung in Organisationen blockiert, vor allem in Zeiten Künstlicher Intelligenz und welcher Schaden verursacht wird, darüber haben in der aktuellen Podcastepisode Manuela und Werner Sattlegger gesprochen.
Was passive Aggresivität ist
Passive Aggressivität bedeutet Konflikte nicht offen auszutragen, Widerstand zu „verstecken“, nicht offen und direkt auszusprechen, was mich bewegt. Das ist eine besonders perfide Form des Widerstandes, da für andere nicht klar ist, worum es eigentlich geht und Entwicklung kaum möglich ist.
„Viele Menschen glauben, dass Aggression per se schlecht sei, was aber nicht stimmt. Aggression stammt vom lateinischen Wort “aggredere”, was soviel wie “herangehen und angreifen” bedeutet. Das ist eine sehr wichtige Energie, die uns Menschen zur Verfügung steht und die wir auch brauchen, um Projekte in Bewegung zu setzen, Dinge zu verändern oder sonstiges zu tun“ betont Werner Sattlegger in seinen Ausführungen.
Innovationen brauchen Konflikte und Reibung
Konflikte sind oft auch notwendig, um sich zu unterscheiden, um zu differenzieren und letztlich um zu innovieren, was ohne der notwendigen Reibung des Konflikts nicht möglich ist. Obwohl dies schon der österreichische Nationalökonom Schumpeter nachgewiesen hat, wird dies in Organisationen kaum gelebt, denn Konfliktvermeidung ist noch immer weit verbreitet.
Viele Menschen scheinen Angst vor Konflikten zu haben und den damit verbundenen Konsequenzen wie Zurückweisung oder Ablehnung. Oder aber Aggression wird als Verhalten angesehen, das nicht sein darf und ich immer „lieb, brav und nett“ sein muss.
geschichte der passiven Aggressivität
Karl Augustus Menninger war vor über 100 Jahren ein US-amerikanischer Psychiater, als Mitglied der Menninger-Familie eröffnete er 1925 das sogenannte das Menninger-Sanatorium, wo er eine Entwicklungen in psychiatrischer Behandlung auf den Weg brachte. Danach war er Militärpsychiater im 2. Weltkrieg tätig und beobachtete folgendes: einige Soldaten wehrten sich gegen die rigide Bevormundung, indem sie dies aber nicht direkt den Vorgesetzten sagten, sondern versteckt hinter dem Rücken die Befehle nicht befolgten.
Das Ziel war, den Vorgesetzten zu bestrafen oder sogar zu sabotieren, selbst dann, wenn sie sich selbst oder andere in Gefahr brachten. Menninger nannte dieses Phänomen passiv-aggressive Verhaltensweise. Das allererste Mal wurde dieser Begriff 1945 im technical bulletin issued des U.S. War Department so genannt.
Wie sich passive Aggressivität zeigt
Passive Aggressivität wurde dann aus der Enge des Militärs ein breites sozialpsychologisches Phänomen, das in Beziehungen, Familien und vor allem in Organisationen zu beobachten ist. In Organisationen als Form des Widerstandes äußert sich passive Aggression in verschiedensten Formen, ein paar seien hier beschrieben:
„Sich dumm stellen und vernebeln“: Die Person stellt Verabredungen als Missverständnisse dar, schiebt die Erledigung von Aufgaben auf, bis die Deadline nicht mehr erreicht werden kann und boykottiert auf indirekte Art das Erledigen.
„Doppelbotschaften„: Beispiel dafür könnten Sätze sein wie „Mir ist egal, wo wir die Mittagspause verbringen, entscheidet ihr gerne“ , gleichzeitig bleibt dabei eine angespannte Mimik bzw. gereizten Ton in der Stimme behalten.
“Verniedlichungen oder Vernebelungen”: Beispiele könnten Aussagen und Sätze sein wie “Ach, ist jetzt auch egal!“, „Warum regst du dich so auf, so war das gar nicht gemeint.“, „Für deine Verhältnisse ist das gar nicht mal so schlecht“ , „Du verstehst das einfach nicht.”
„Zu spät kommen“: Immer wenn es um Termine, Sitzungen oder sonstige Treffen geht, kommt der passive Aggressive zu spät. Das könnte aber auch Formen annehmen wie nicht zurückzurufen, nicht zurückschreiben oder sich sonst wie aus der Verantwortung zu nehmen.
“Lästern und Sarkasmus”: Die Person spricht hinter dem Rücken eines anderen schlecht über ihn oder verbreitet gezielt Gerüchte, um den anderen zu schaden.
“Pseudohumor”: Verletzende Kommentare werden von der Person als „witzig“ dargestellt, nach dem Motto „Na, du verstehst aber auch keinen Spaß bist überempfindlich!“.
“Schweigen und Ignorieren”: Um andere zu „bestrafen“, reagiert die Person nicht mehr auf sie, gibt keine Antworten oder spielt vor, sie nicht zu sehen. “Ghosting” bedeutet, dass die Person den Kontakt zu jemandem für eine Weile oder manchmal für immer abbricht, ohne zu erklären, warum sie den Kontakt. Passiv-aggressive Menschen wissen dies und nutzen diese Schuldzuweisung gezielt als Waffe und Kanal. Wenn jemand sie auf einen Fehler hinweist, ziehen sich passiv-aggressive Menschen zutiefst verletzt zurück: Sie können schlecht mit Kritik umgehen und nehmen das persönlich.
dramatische zunahme Passiver Aggressivität
Eine kürzlich von Go1 durchgeführte Umfrage unter 2.000 Arbeitnehmern ergab einen beunruhigenden Trend: 70 % der Befragten gaben an, dass sie passiv-aggressives Verhalten am Arbeitsplatz erleben, und 64 % gaben an, mindestens einmal pro Woche mit passiver Aggression konfrontiert zu sein.
Etwa 16 % aller Arbeitnehmer gaben an, dass sie täglich damit konfrontiert sind, aber bei den Frauen ist die Zahl deutlich höher: 19 % berichteten, dass sie passiv-aggressives Verhalten erlebt haben, während es bei den Männern nur 12 % waren, wobei alle Faktoren berücksichtigt wurden.
Die häufigste Art von passiv-aggressivem Verhalten war das Reden hinter dem Rücken eines anderen, das von 54 % der Befragten angegeben wurde. 50 % der Befragten gaben außerdem an, dass Beschwerden und Ressentiments eine Quelle passiver Aggressivität sind, während fast ebenso viele, nämlich 49 %, sagten, dass sie oft mit Schweigen bestraft werden. Sarkasmus und Unehrlichkeit werden mit 42 % bzw. 37 % ebenfalls häufig von den Arbeitnehmern angeführt.
Was kann ich als Führungskraft tun?
Wichtig ist diese dysfunktionalen Spielchen nicht nur zu durchschauen, sondern sie zu durchbrechen, nicht mitzumachen und zu konfrontieren. Dies indem man genau beschreibt was passiert und welcher Sachverhalt wahrgenommen wird. Führungskräfte müssen Konflikten Raum geben, damit Widerspruch möglich ist, als Samen für zukünftige Innovationen.
Umgang mit Saboteuren
Es gibt aber noch eine sehr perfide Form des Widerstandes, dem der Sabotuere. „Saboteure“ schädigen wissentlich und vorsätzlich das eigene Unternehmen. Diese werden in Unternehmen immer sehr unterschätzt, vor allem wenn die wirtschaftliche Lage gut ist, will man den Schaden oft nicht sehen und ignoriert es. Die Auswirkungen sind enorm, wie frustrierte Mitarbeiterinnen, schlechtes Betriebsklima, Imageschaden durch bösartiges „Lästern“ und eine steinzeitliche Unternehmenskultur voller Angst und Unsicherheit. Führungskräfte können sie nicht „durchschwindeln“ und Saboteure wirken lassen, nicht in guten und nicht in schlechten Zeiten, daher müssen Saboteure aus dem Team genommen werden.
Führungskräfte sind Vorbilder, ob sie wollen oder nicht. Daher müssen Führungskräfte lernen Konflikte anzusprechen und einzugehen, Dissonanzen aushalten und Widerspruch willkommen heißen. Denn eine der größten Fallen für Führungskräfte ist das ständige Bedürfnis, geliebt zu werden. Führungskräfte müssen Grenzen setzen, müssen konfrontieren, für etwas einstehen, Entscheidungen umsetzen und manchmal auch unbeliebte Konsequenzen setzen.
Ausblick
“Wenn Menschen mauern” scheint nicht nur in Organisationen angekommen zu sein, sondern richtet dort großen Schaden an. Nicht nur emotional, denn der andere Mensch wird ratlos zurückgelassen, sondern auch monetär, denn Projekte versanden, Veränderungen scheitern und die Energie geht runter. Das vor allem angesichts der gewaltigen Veränderungen, die nun von Künstlicher Intelligenz ausgehen. Da wird kein Stein auf dem anderen bleiben,. Veränderungen dringend notwendig werden und da werden wir uns passive Aggressivität nicht leisten können.
Das muss alles nicht sein, denn Arbeit, Entwicklung und Veränderung darf auch Freude machen.
Autoren: Mag. Manuela und Werner Sattlegger, Founder Art of Life
Lesetipp:
Werner Sattlegger: “Die Kunst reifer Führung”, 2022
Loil Neidhöfer/Werner Sattlegger, “Wenn die Sehnsucht größer wird als die Angst”
Lernreise:
Silicon Valley Lernreise, 03.Juni-07. Juni, 2024
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Experte für digitale Entwicklungsprozesse, wo er europäische mittelständische Familien- und Industrie-unternehmen von der Komfort- in die Lernzone bringt. Leidenschaftlich gerne verbindet er Menschen und Unternehmen, liebt die Unsicherheit und das Unbekannte, vor allem bewegt ihn die Lust am Gestalten und an Entwicklung.