....trotzdem ist nichts mehr so, wie es einmal war

„Es ist was es ist“, sagte eine junge Mutter unlängst in einem Interview, die mit ihrem neugeborenen Baby die Nächte in der U Bahn von Kiew verbringt. Kinder, alte Menschen oder ganze Familien flüchten, werden traumatisiert oder getötet, Städte in Schutt und Asche gebombt, Atomkraftwerke angegriffen und die Welt steht vor der Eskalation eines kriegerischen Flächenbrandes.

Nein, ich beschreibe nicht historische Ereignisse aus vergangenen Weltkriegen, sondern das was gerade jetzt mitten in Europa passiert. Ein Mischung aus Trauer, Fassungslosigkeit, Verdrängung, „sich nicht verrückt machen“ , Ohnmacht, Mitgefühl und Hoffnung, dass es morgen zu Ende ist, so geht es mir die letzten Tage. Zuletzt aber ein heiliger Zorn und Wut, nichts aus der Geschichte gelernt zu haben, wir Despoten lange hofieren und umgarnen, weil wir „Geschäfte wittern“ oder uns in das gemachte Nest von russischen Aufsichtsratsposten setzen wollen. Wegschauen“, Opportunismus und Heuchelei in Führungsetagen, das ist auch unser Anteil im Westen und Österreich an der Eskalation. Wie wir das in Zukunft verhindern können, darum geht es unter anderem in diesem Beitrag

Europa als Friedensprojekt

Mit den aktuellen Ereignissen verbinde ich ganz persönliche Erfahrungen aus meinem Leben. Nach dem Studium hatte ich nach dem EU Beitritt Österreichs das Privileg, Europa von seiner schönsten Seite kennen zu lernen. Mit Erasmus Studienprogramm ein halbes Jahr in Edinburgh, danach einige Jahre in der EU Hauptstadt Brüssel in den ersten Jahren unserer EU Mitgliedschaft. Ich lernte die EU als die ultimative Friedensmission kennen, Länder öffnen ihre Grenze und wachsen wirtschaftlich zusammen. Damit es in Europa nie wieder Krieg gibt, die Gründungsidee der EU auf den Trümmern des 2. Weltkrieges. In mir wuchs eine Begeisterung für Europa und eine innere Gewissheit, dass ich mein Leben lang in Frieden leben werde.   

Dann kann ich mich noch gut an den Fall der Berliner Mauer in dem Novembertagen 1989 erinnern. Wir waren in unserem Studentenheim in Graz und sahen im Fernsehen, wie sich die Schranken der Berliner Mauer öffneten. Wir wollten uns noch in den Zug setzen, weil wir wussten, dass gerade Geschichte geschrieben wird und der kalte Krieg vorüber ist, mit dem ich aufwuchs.

Heuchelei der Putinversteher

Einige Jahre später war ich bei Ski Weltmeisterschaft 2001 live Vorort in Sankt Anton und erlebte, wie die gesamte Veranstaltung still stand, als W. Putin zu Gast war. Die österreichische Elite hofierte und umgarnten den russischen Präsidenten, alle wollten etwas von ihm, das sich die nächsten Jahre nicht ändern sollte. Gleichzeitig mehrten sich Berichte von politischen Verfolgungen in Russland, Giftanschlägen oder später der Krim Annexion.

Putin wurde weiter hofiert, Österreichs Elite scherzte mit Putin auf Wirtschaftsveranstaltungen, wenn er zu Besuch war. Oligarchen kauften ganze Skiorte auf, Banken, Makler oder Gemeinden, wer auch immer, alle waren sie am Futtertrog. Ehemalige österreichische und deutsche Bundeskanzler wurden mit gut dotierten Aufsichtsratsposten belohnt, eine ehemalige Außenministerin machte auf Ihrer Hochzeit eine Verneigung für Putin, eine Bild mehr wir tausend Worte. Niemand wollte hinsehen und kritisch sein, solange der Rubel rollte.

 Wie kann man das in Zukunft verhindern

  • Geldflüsse prüfen: Geld regiert die Welt, in unserem westlichen Gesellschaftssystem dreht sich alles um Sozialprestige und materiellem Reichtum. Menschen mit scheinbar viel Geld werden hofiert, selten fragen Menschen woher das Geld kommt. Geldwäscherei scheint noch immer ein Kavaliersdelikt zu sein und staatliche Konzerne können Geschäfte mit Staaten machen, die von Despoten regiert werden. Wir brauchen hier viel strengere Regeln und Maßstäbe, die dies verhindern.  

  • Verantwortung übernehmen: Leader und Eliten müssen Verantwortung übernehmen. Egal ob es Sportverbände, Institutionen oder Banken sind, ob Politiker oder Wirtschaftsbosse, wenn das schnelle und große Geld lockt, dürfen wir nicht wegsehen. Uns muss klar sein, woher das Geld kommt, was dahinter steht und uns muss bewusst sein, dass wir mit jedem abgeschlossenen Geschäft destruktive Kräften unterstützen könnten. Und auch welche Positionen ich zum Beispiel als ehemaliger Politiker einnehme. Denn es ist eben nicht egal, wenn ich wie in diesem Fall in einem russischen Aufsichtsrat sitze.

  • Distanz wahren: Wir lieben das Anbiedern und den Opportunismus, wollen uns gerne vor wichtigen Menschen verbeugen und bejubeln berühmte Leute. Wir lassen uns vom Schein blenden und hinterfragen nicht kritisch. Das muss sich im Kleinen wie im Großen ändern, wollen wir in Zukunft Despoten und Soziopathen in Führungsetagen keinen Raum mehr geben.

Hoffnung ist unverhandelbar

Niemand kann sagen, wie es weitergeht. Was wir aber wissen ist, dass  Flüchtlingsströme zunehmen, Menschen sterben und sind traumatisiert, Verwerfungen auf den Märkten nehmen zu, Stagflation droht (steigende Inflation bei schwachem Wirtschaftswachstum) und Vertrauen wird zerstört.

Aber ich habe Hoffnung, die unverhandelbar ist. Wenn ich sehe, wie schnell Europa zusammengerückt und geeint ist. Wenn ich die Welle der Hilfsbereitschaft und Kolonnen an Konvois mit Hilfsgütern sehe. Wenn ich junge Menschen sehe, die für den Frieden auf die Straße gehen.

Dann habe ich Hoffnung, dass wir Menschen nicht so sind und wir nicht wieder einen Weltkrieg erleben werden.

Ich bin davon überzeugt, dass wir gerade jetzt die konstruktiven und positiven Kräfte stärken können. Es liegt an jedem von uns, vor allem aber an Menschen in Führungspositionen, die jetzt Haltung, Mut und Verantwortung zeigen müssen.

Autor: Werner Sattlegger, Founders der Art of Life

Buchtipp:

Werner Sattlegger, “Die Kunst reifer Führung”

Manfred Kets de Vries: “Führer, Narren und Hochstapler”

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Autor: Werner Sattlegger
Founder & CEO Art of Life

Experte für digitale Entwicklungsprozesse, wo er europäische mittelständische Familien- und Industrie-unternehmen von der Komfort- in die Lernzone bringt. Leidenschaftlich gerne verbindet er Menschen und Unternehmen, liebt die Unsicherheit und das Unbekannte, vor allem bewegt ihn die Lust am Gestalten und an Entwicklung.