Vom Jobkiller zum Jobshifter

Egal wo, ob in Talkshows, in Boulevardmedien oder auf Social Media, um KI und ChatGPT ist ein wahrer Hype entstanden. Auch mich beschäftigt dieses Thema sehr, ich habe an dieser Stelle schon mehrere Blogs verfasst. Wir leben in einer Zeitenwende, in der sich für jeden von uns unfassbar viel ändern wird. Daher bin ich umso aufgeregter, da ich nun wieder für ein paar Wochen im Silicon Valley verbringen werde, um den neuesten Trends auf der Spur zu sein. Da die Ängste vor KI noch immer überwiegen, möchte ich in diesem Beitrag beleuchten, wie sich der Arbeitsmarkt gerade massiv verändert und was dies für uns bedeutet.

so viele arbeitsplätze wie noch nie

Die Angst vor Jobverlust durch KI ist noch immer enorm. So sehen 44 % von Befragten (Bitkom) Gefahren, 65 % befürchten sogar den Verlust von Arbeitsplätzen. Aber wir können aus der Geschichte lernen die uns in diesem Fall etwas anderes zeigt, denn die bisherige Erfahrungen mit Automatisierung und Robotik zeigen das Gegenteil. Länder mit hohen Automatisierungs- und Robotikraten haben geringere Arbeitslosigkeit und Arbeitsplätze, die als "gefährdet" gelten, zeigen keine allgemeine Tendenz zu einem besonders schnellen Verlust.

In den letzten zehn Jahren hat sich die durchschnittliche Arbeitslosenquote der reichen Welt etwa halbiert. Länder mit den höchsten Automatisierungs- und Robotikraten wie Japan, Singapur und Südkorea haben die geringste Arbeitslosigkeit. Eine aktuelle Studie des amerikanischen Bureau of Labour Statistics ergab, dass in den letzten Jahren Arbeitsplätze, die durch neue Technologien als "gefährdet" eingestuft wurden, "keine allgemeine Tendenz zu einem besonders schnellen Verlust von Arbeitsplätzen zeigten".

Es gibt aber auch Hinweise, dass es diesmal anders sein könnte. So fiel der Aktienkurs von Chegg (Unternehmen, dass Hausaufgabenhilfe anbietet) um die Hälfte, nachdem das Unternehmen mitteilte, dass Chatgpt "einen massiven Einfluss auf unsere Neukundenwachstumsrate hat".

Der Arbeitsmarkt ist in Bewegung, vieles wird automatisiert und Jobs verändern sich, aber nicht gleich vernichtet.

veränderung des arbeitsmarkts

KI mit ChatGPT und Automatisierung erhöht unsere Produktivität, aber nicht in allen Bereichen. In einem Artikel von Erik Brynjolfsson (Stanford University) wurde die Tätigkeit von Kundenbetreuer untersucht und festgestellt, dass sich durch den Zugriff auf ein KI-Tool die Anzahl der pro Stunde gelösten Probleme um durchschnittlich 14 % erhöhte. Es sind vor allem die White-Collar Worker, die durch ChatGPT betroffen sind, egal ob Juristen, Ärzte oder Steuerberater. Nicht dass diese Jobs ersetzt werden, sie verändern sich, vor allem die Wertschöpfung.

Und es gibt eben auch viele Tätigkeiten, die nicht davon betroffen sind, wie z.B. das Baugewerbe oder die Landwirtschaft, die etwa 20 % des BIP in der westlichen Welt ausmachen.

Gleichzeitig gibt es immer mehr sog. leichte "kollaborative Roboter", die mit Menschen kooperieren, von der Kaffeezubereitung bis zum Verlegen von Bodenbelägen auf Baustellen. Denn der Durchschnittspreis eines Industrieroboters fiel von 69.000 US-Dollar im Jahr 2005 auf 27.000 US-Dollar im Jahr 2017, wird so bald auch für kleiner Unternehmen leistbar. Auch die Installationskosten sind gesunken, da neue "No-Code"-Systeme keine Programmierkenntnisse erfordern.

Infolge der besseren Technologie und der niedrigeren Preise wuchs der weltweite Bestand an Industrierobotern von 1 Million im Jahr 2011 auf fast 3,5 Millionen im Jahr 2021

Das Fazit daraus: die Automatisierung schreitet weiter voran, vor allem dort wo es repetetive Tätigkeiten gibt, kann sich ein Roboter bald rechnen. Dieser Trend macht nicht vor höher qualifizierten Tätigkeiten halt, ganz im Gegenteil. Wo er nicht stattfindet, ist im Bereich der persönlichen, individuellen und manuellen Arbeit.


vom jobkiller zum jobshifter

Robert Fogel, Professor für Wirtschaftsgeschichte an der Universität Chicago, hat in seinem 1964 erschienen Buch "Railroads and American Economic Growth" eine kontrafaktische Analyse durchgeführt, für die er später den Nobelpreis für Wirtschaft erhielt. Er hat z.B. in seinen Studien nachgewiesen, dass der Einfluss der Einführung der Eisenbahn nur einen sehr bescheidenen Einfluss auf die wirtschaftliche Geschichte hatte, denn diese ersetzte Technologien - wie z. B. Kanäle -, die eine ebenso gute Leistung erbracht hätten. Das Niveau des Pro-Kopf-Einkommens, das Amerika am 1. Januar 1890 erreichte, wäre seiner Analyse auch erreicht worden, wenn die Eisenbahn nicht erfunden worden worden wäre. Das bedeutet, dass die Auswirkungen durch die Einführungen neuer Technologien oft überschätzt werden, ebenso die Geschwindigkeit.

Denn so wurde z.B. das automatische Telefonvermittlungssystem - ein Ersatz für menschliche Operatoren - im Jahr 1892 erfunden. Es dauerte bis 1921, bis das Bell-System sein erstes vollautomatisches Büro installierte. Auch danach wuchs die Zahl von Telefonisten weiter an, um dann (größtenteils) erst in den 1980er Jahren, neun Jahrzehnte nach der Erfindung der Automatisierung, zu verschwinden.

Wenn man von diesen Analysen ausgeht, kann man die aktuelle Entwicklung ein wenig differenzierter betrachten. Es wird sich viel verändern, aber nicht gleich von heute auf morgen. Es gibt zu viele Regulierungen, zu viele geschützte Märkte und auch zu viel Trägheit. Aber wie beim “gekochten Job Syndrom” kann es noch lange dauern, aber dann wieder sehr schnell , Wirtschaft und Arbeit wird dann eine andere sein.

Ausblick - future skill

Jobs und Rahmenbedingungen werden sich ändern, überholte Tätigkeiten werden wegfallen und durch neue ersetzt werden. Aber wir werden uns als Menschen weiterentwickeln, wir werden lernen, mit diesen Technologien umzugehen. Vor allem werden wir unsere menschliche Fähigkeiten entwickeln, wie: Beziehungen führen, Visionen entwickeln, Menschen begeistern oder Konflikte eingehen. Laut der StudieDie Zukunft der Qualifizierung in Unternehmen nach Corona“, die der Stifterverband gemeinsam mit McKinsey durchführte, sind es vor allem:

  • Resilienz

  • Veränderungsbereitschaft

  • Kreativität

  • Teamfähigkeit und Empathie

Das alles wird KI nicht tun, denn es wird nie ein Herz, eine Seele oder Intuition besitzen, vor allem nicht menschliche Selbstwirksamkeit entwickeln. Wir sollten aber nicht zu lange darauf warten, diese zu entwickeln, wollen wir nicht wie der Frosch im gekochten Wasser enden.

Executive Learning Journey,

Werner Sattlegger: “Die Kunst reifer Führung”, 2022

 

Autor: Werner Sattlegger
Founder & CEO Art of Life

Experte für digitale Entwicklungsprozesse, wo er europäische mittelständische Familien- und Industrie-unternehmen von der Komfort- in die Lernzone bringt. Leidenschaftlich gerne verbindet er Menschen und Unternehmen, liebt die Unsicherheit und das Unbekannte, vor allem bewegt ihn die Lust am Gestalten und an Entwicklung.