The Practice – Shipping Creative Work

Buchrezension Seth Godin

Egal ob als Führungskraft, Autor oder sonstiger „Kreativarbeiter“, die Frage bleibt immer gleich:

Wie kommt das Neue in die Welt? Welche Phänomene gibt es in kreativen Prozessen? Wie muss ich mein Arbeitsumfeld gestalten, um Kreativität zu fördern ?

Viele Menschen wollen und müssen Veränderungen gestalten, scheitern oft am Widerstand, Ängsten oder sonstigen Blockaden.  

Wenig Brauchbares gibt es erstaunlicherweise in der Literatur, um so erfrischender ist das Buch von Seth Godin „The Practice“.

Seth Godin ist ein bekannter amerikanischer Unternehmer und Autor, der mit seinen Sachbüchern bereits die Welt des Marketings revolutioniert hat. Im aktuellen Buch beschreibt er in knapper Sprache, prägnant und präzise wie ein „Steinschneider“, auf was es in kreativen Prozessen darauf ankommt, wie das Neue in die Welt kommt, ohne aber belehrend oder besserwisserisch in der Sprache zu sein. Im Grunde entstaubt Godin Kreativität aus der Lade “Mythos”, betont die Notwendigkeit eine disziplinierten und verlässlichen Praxis mit dem Ziel zu “liefern”.

Ich fasse hier die wichtigsten Kernaussagen des Buchs zusammen und verbinde sie mit meinen Erfahrungen.

  •  Trust yourself 

Das Buch beginnt mit – Vertraue Dir selbst. Das Vertrauen steigt, durch Regelmäßigkeit, Praxis und den Fokus auf den eigenen Prozess, ohne dauernd zu vergleichen. Klingt  banal, aber ist die Basis für alles. Ich erlebe es oft als ein Schielen auf andere Menschen, in einem Hochheben von anderen Menschen auf ein Podest. Das alles lenkt nur vom eigenen kreativen Prozess, man verliert den Zugang zur eigenen, inneren Stimme. “Chop water and carry wood” bedeutet Disziplin, Beharrlichkeit und Verläßlichkeit - ich schreibe morgen meinen Blog, nicht weil ich mich motivieren muss, sondern einfach weil ich jeden Tag einen Blog schreibe. Und morgen einfach wieder so ein Tag ist.

  • Raum für Kreativität

Schöpferische Tätigkeit entsteht nicht in der Alltagsmühle von Meetings, Likes oder sonstigen Unterbrechungen. Es entsteht schlicht in einem Raum der Ruhe und der inneren Verbundenheit, wo ich mich mehrere Stunden ohne Unterbrechung konzentriert vertiefen kann. Der Amerikanische Autor Jonathan Frantzen erzählte die Geschichte, dass er mit einer Motorsäge die Internetverbindung kappte, um ungestört zu schreiben.

  • Prozess ist wichtiger als das Ergebnis

Gerade in kreativen Prozessen schauen wir viel zu oft nach links oder rechts, wollen Absicherungen und Ergebnisse, die zählbar und messbar sind. Wir wollen Clicks, Likes oder sonstige Rückmeldungen, wir “hungern” nach Rückversicherungen, Bestätigung oder Anerkennung. All dies hat aber nur eines gemeinsam haben – Ablenkung vom eigentlichen kreativen Prozess. 100 % Focus auf den Prozess „ohne etwas fangen zu wollen“, dann kommt der Erfolg von alleine, ohne dass wir diesen erzwingen wollen.

  • Impostersyndrom (Hochstaplersyndrom)

Dieses Syndrom setzt sich aus Selbstzweifel, dem Gefühl ein Betrüger zu sein, nicht genug zu sein oder dabei ertappt zu werden, dass man eigentlich ein Hochstapler ist, zusammen. Dieses Syndrom haben interessanterweise diejenigen Menschen, die wirklich was zu sagen haben und richtig gut sind. Man kann es einerseits in den Biographien großer Künstler nachlesen oder auch in der Wissenschaft, wo dieses Phänomen „Dunning-Krüger Effekt“ genannt wird. Dieses Syndrom lässt sich nicht beseitigen oder bekämpfen, sondern man kann nur lernen damit zu leben. 

  • What it is for and who it is for?

Wenn das eigenen Produkt für jeden ist, dann ist es für niemanden und der direkte Weg in die Mittelmäßig. Kreative Arbeit im professionellem Umfeld zählt nur, wenn ich ganz genau beschriebene Adressaten und Zielgruppen anspreche. Allgemein zu bleiben ist leicht, aber spezifisch zu sein ist sehr schwer: 

  • Welche Veränderung strebe ich aus welchem Grund für wen an? 

  • Wer ganz genau ist mein Kunde, für den ich welche Verbesserung verspreche?

Wenn man weiss warum man was für wen tut, dann muss man nicht in narzisstische Selbstdarstellung verfallen, “Lärm um sein Produkt machen”, auf Pressemitteilungen über sich schielen - denn man schafft richtig gute Produkte, die die Menschen lieben und daher kaufen.

  • SVA - Smallest Viable Audience

Daher ist es auch nicht relevant, mit welcher Kundenzahl ich beginne. Jeder Blog, Podcast oder jede andere kreative Tätigkeit beginnt immer mit einem ganz kleinem Publikum. Man sucht sich seine Zielgruppe aus, beginnt mit einer ganz kleinen Zahl, diese gilt es zu beglücken und zu begeistern. Wenn wir dann die Erwartungen übertreffen und dann passiert folgendes: diese erzählen es den Freunden weiter, sind begeistert und so wächst Dein Publikum von alleine, organisch und exponentiell. Ohne anderen mit digitalen Werbeeinschaltungen zu nerven, „laut zu sein“ oder die Menschen mit meinen Botschaften zu belästigen.  

  •  Race for Trust

Wir geben oft die falsche Versprechungen für die falsche Personen ab, die wir nicht halten. Daher müssen wir uns auch entscheiden, welche Kunden wir nicht wollen, die wir in unserer Arbeit nicht ansprechen. In der Kreativarbeit ist es letztlich ein Wettrennen um Vertrauen, wir geben Versprechungen ab, die wir erfüllen müssen oder sogar übertreffen.

  • Ship the work

Der entscheidende Punkt in der Kreativarbeit ist „to show up“. Schreibblockaden sind ein Mythos, beschreibt Seth Godin in seinem Buch. Es geht darum jeden Tag die Arbeit abzuliefern, einfach weil man sich dazu entschlossen hat. Nicht darüber zu verhandeln, zu jammern oder in der Opferrolle zu verharren.  

  • Being on the hook 

Das bedeutet, sich dazu zu verpflichten, seine Arbeit zu machen, konsequent und diszipliniert. Es macht klar, dass gerade Kreativarbeiter, wozu auch Führungskräfte zählen, großen Spannungsfelder ausgesetzt sind – Unsicherheit, mangelnde Bestätigung, Rückschläge mit dem ständigen Damoklesschwert des Widerstandes und Aufgeben.

Leicht ist es in einer Branche tätig zu sein, wo das Geschäft von alleine geht und man nichts dazu tun muss. Aber die Zukunft wird der Kreativität gehören, dem Neuen und wie es in die Welt kommt.

Literaturempfehlung:

Werner Sattlegger “Die Kunst reifer Führung”


 
Werner Sattlegger Founder & CEO Art of Life

Werner Sattlegger
Founder & CEO Art of Life

Experte für digitale Entwicklungsprozesse, wo er europäische mittelständische Familien- und Industrie-unternehmen von der Komfort- in die Lernzone bringt. Leidenschaftlich gerne verbindet er Menschen und Unternehmen, liebt die Unsicherheit und das Unbekannte, vor allem bewegt ihn die Lust am Gestalten und an Entwicklung.