Kunst eines geglückten Lebens

Wofür lohnt es sich zu leben ? Was ist wirklich wichtig im Leben ? Wie führe ich ein geglücktes Leben ? Was bedeutet überhaupt Erfolg ? Das sind Fragen, die Menschen gerade in Krisenzeiten bewegen, auf der Suche nach einem glücklichen Leben.

Dabei glaubt gerade die moderne Wissenschaft zu wissen, wie man das schnelle Glück im Leben oder Arbeit erfahren kann. In der Glücksforschung “positive Psychology” genannt, werden schnelle Rezepte und rasche Lösungen angeboten. Da habe ich immer meine Zweifel gehabt, denn ich habe das Leben immer anders erlebt. Leben hat seine Dunkelheit, seine Schattenseiten und seine Krisen. Und auf der anderen Seite ist Glück oft flüchtig, individuell, subjektiv und verändert sich auch ständig. Denn das was heute Glück ist, kann morgen Unglück sein, aber auch umgekehrt. Das was in meiner engen Sichtweise als mein aktuelles Unglück ansehen, kann sich rückblickend oft als großes Glück erwiesen haben. Sei es die Trennung einer Partnerschaft, die zu einer neuen, glücklicheren Partnerschaft führt. Oder der Jobverlust, der vielleicht zu einer neuen, erfüllten Tätigkeit führen.

  • Per aspera ad astra“ (Seneca” - „Durch das Raue zu den Sternen“

Die Tränen der Unglücks können später zu Tränen des Glücks werden, wir wissen es vorher einfach nicht.  So ist es in vielen Krisenzeiten wie auch in der Pandemie, viele Menschen empfinden diese Zeit rückblickend als große Chance das Leben anders zu erfahren, sich auf das wirklich Wichtige zu konzentrieren oder neue Dinge zu entwickeln. Ich möchte an dieser Stelle nicht falsch verstanden werden, ich sehne mich auch nicht nach schlechten Zeiten, aber im Rückblick war eine Krisenzeit für mich immer eine sehr fruchtbare Zeit.

Ob die steigende Bedeutung von Künstliche Intelligenz, die bestehende Geschäftsmodelle bedrohen oder die damit verbundenen Transformationen in Richtung „New Work“, in den nächsten Jahren wird in vielen Bereichen kein Stein auf dem anderen bleiben. Es wird Veränderungen in vielen Bereichen geben, Branchen werden vielleicht „wegbrechen“, Jobs werden verschwinden und überhaupt die Form unserer Arbeit wird sich radikal verändern. All dies sind mögliche Krisenerfahrung, da sich altes verabschieden und gleichzeitig Neues entstehen möchte.

  • glückliches versus geglücktes Leben 

Und gerade in Krisenzeiten suchen Menschen Glück, aber anstelle von “Glück”, spreche ich lieber von einem geglückten oder stimmigen Leben. Ein Leben zu leben, im Einklang mit den eigenen Fähigkeiten, Talenten und Interessen, selbstwirksam diese auch im Leben und Arbeit zur Entfaltung zu bringen. Es wird dann ein Leben, dessen Kraft einer inneren Quelle entstammt, was nicht dauernd Ergebnisse braucht oder Erwartungen erfüllt, ohne ständig Anerkennung und Bestätigung von anderen Menschen, Social Media oder Statussymbolen zu brauchen. Dann kann sich auch eine Form der Resilienz entwickeln, die Menschen in Krisenzeiten reifen lassen. Und was vor allem das Thema Glück betrifft, gibt es am Ende des Tages noch die nüchterne Erkenntnis: die ersehnten Glücksgefühle sind oft nichts anderes als die Ausschüttungen körpereigener chemischer Botenstoffen wie Dopamin oder Serotonin.

  •  Was bedeutet dies für Führungskräfte ?

Selbstoptimierung und Effizienzsteigerung sind auch in Organisation ganz oben in der Tagesordnung. Oft in Form von immer mehr vom Gleichen, ohne zu fragen, ob überhaupt das Richtige getan wird. Tiefergehende Fragen werden oft als Schwäche ausgelegt, ein öffentlicher Diskurs tunlichst vermieden.

Dabei sind in Organisationen in Zeiten der Veränderung oft schmerzvolle Erfahrungen möglich. Dann geht es meiner Meinung nach nicht darum die rosarote Brille aufzusetzen, “schönzureden” oder zu optimieren, sondern schonungslos miteinander umzugehen.

Literaturtip:

Werner Sattlegger, “Die Kunst reifer Führung”

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Wenn Menschen existentiellen Fragen nachgehen, dann kann dies aber schmerzhaft werden. Nach dem Prinzip "Stirb und Werde" muss dann vielleicht Altes vergehen, um Platz für das Neue zu schaffen. Wachstums bzw. Wandlungsphasen kommen und gehen, ob wir wollen oder nicht, denn das Leben ist Veränderung. Dieses Wachstum wird oft durch Krisen eingeläutet, wo etwas reifen kann.

Wer diesen Wandlungsphasen keinen Raum gibt, will der Entwicklung keinen Raum geben ! Vor allem in vielen Unternehmen und Organisationen wird in den nächsten Jahren Veränderung Programm sein, nur wenn Führungskräfte diesen natürlichen Wandlungsphasen offen, ehrlich und mutig begegnen, gibt es die Möglichkeit für Entwicklung. Führungskräfte brauchen aber dafür als wichtigsten Fähigkeit Selbsterkenntnis , was nichts mit sozialromantischer Selbstverwirklichung zu tun hat.

  • Was braucht es für diese Selbsterkenntnis ? 

Aufmerksamkeit, liebevolle Zuwendung nach Innen und Selbstreflexion. Offenheit auch seine Schattenaspekte anzusehen und Mut, Krisen als Wachstumschancen zu begreifen. Sich selber, sein Tun und Wirken kritisch zu hinterfragen, was auch schmerzhaft sein kann. Offen, adaptiv und lernend, im Wissen, dass Leben Entwicklung ist. Dann verliert vielleicht der Pendelausschlag zwischen Erfolg und Mißerfolg seine Bedeutung.

Denn dann bleibt am Ende das Wichtigste, was in uns Menschen angelegt ist: Entwicklung. Dafür braucht es aber keine Selbstoptimierung oder Patentrezepte, sondern die richtigen Fragen, Mut, Geduld und Vertrauen. Niemand hat diesen Zugang schöner formuliert als Rainer Maria Rilke:

Man muss den Dingen die eigene, stille ungestörte Entwicklung lassen, die tief von innen kommt und durch nichts gedrängt oder beschleunigt werden kann, alles ist austragen – und dann gebären…

Reifen wie der Baum, der seine Säfte nicht drängt und getrost in den Stürmen des Frühlings steht, ohne Angst, dass dahinter kein Sommer kommen könnte.

Aber er kommt nur zu den Geduldigen, die da sind, als ob die Ewigkeit vor ihnen läge, so sorglos, still und weit… Man muss Geduld haben

Mit dem Ungelösten im Herzen, und versuchen, die Fragen selber lieb zu haben, wie verschlossene Stuben und wie Bücher, die in einer sehr fremden Sprache geschrieben sind. Es handelt sich darum, alles zu leben. Wenn man die Fragen lebt, lebt man vielleicht allmählich, ohne es zu merken, eines fremden Tages in die Antworten hinein”.

Genau darum geht es nun , die richtigen Fragen zu stellen, egal wo im eigenen Leben oder im Unternehmen. Dann mit Geduld, Beharrlichkeit und Vertrauen den Antworten folgen, die oft jenseits der eigenen Komfortzonen warten. Und die Spur dorthin liegt meistens der Angst entlang, egal ob im eigenen Leben oder Arbeit. Aber meiner Erfahrung nach zahlt sich er Weg dorthin immer aus, denn es wartet dort ein geglücktes Leben und geglückte Arbeit.

Autor: Mag. Werner Sattlegger, Founder Art of Life

Buchtipp:

Wenn die Sehnsucht über die Angst hinauswächst, Neidhöfer/Sattlegger

Das falsche Leben, Ursachen und Folgen unserer normopathischen Gesellschaft, Maaz, Hans-Joachim

Homo Deus Eine Geschichte von Morgen von Yuval Noah Harari