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Kommen immer die Besten nach oben?

Erfolg – das Streben nach Anerkennung, Einfluss, sozialem Status oder Macht – ist ein Ziel, das viele von uns täglich antreibt. Egal ob im Sport oder in der Wirtschaft, wir wollen besser, anerkannter, reicher werden, was auch immer, einfach erfolgreicher sein.

Doch eine zentrale Frage beschäftigt mich aus meiner persönlichen Erfahrung in Organisationen und Wirtschaft schon seit vielen Jahren - werden denn immer die Besten erfolgreich, oder spielen Zufall und Beziehungen eine viel entscheidendere Rolle, als uns lieb ist?

Immer wieder bin auch auf das Phänomen gestoßen, dass bei Postenbesetzungen nicht immer der Beste zum Zug gekommen ist sondern Kontakte, Netzwerke oder Glück auch oft eine Rolle gespielt haben. Genau das Gegenteil erleben wir aber immer bei unseren Lernreisen im Silicon Valley, wo immer nach dem Ergebnis und dem Resultat gefragt wird, weniger nach der Herkunft.

Diese Frage besschäftigt mich deshalb auch sehr, da wir ja gerade in Österreich vorgeben eine Leistungsgesellschaft zu sein, wo sich der der eigene Einsatz lohnen sollte.

  • Aber gibt es dazu wissenschafltiche Untersuchungen, was sind die Erkenntnisse und ob sich diese mit meinen Wahrnehmungen decken, darum geht es in diesem Beitrag.

Sind die Besten immer die Erfolgreichsten?

Es ist eine weit verbreitete Annahme, dass harter Arbeit und herausragende Fähigkeiten zwangsläufig zu Erfolg führen. Aktuelle Forschungen und Studien werfen aber völlig neues Licht auf den Einfluss von Zufällen und Netzwerken auf den Weg zum Erfolg. Diese Studien legen nahe, dass nicht immer die besten Talente an die Spitze gelangen – oft sind es diejenigen, die zur richtigen Zeit am richtigen Ort sind oder über die richtigen Kontakte verfügen.

Branko Milanovic, ein renommierter Forscher im Bereich sozialer Ungleichheit, hat z.B. gezeigt, dass bis zu 60 Prozent der Einkommensunterschiede durch das Geburtsland erklärt werden können. Mit anderen Worten: Reich werden vor allem diejenigen, die das Glück hatten, in einem reichen Land geboren zu werden.

Eine sehr spannende Studie ist "Talent vs Luck: The Role of Randomness in Success and Failure" von Alessandro Pluchino, Andrea Rapisarda und Cesare Garofalo, In über 2 Jahren Forschungsarbeit mit über 1000 Befragten untersuchten sie, wie stark Zufall und Glück den Erfolg eines Individuums beeinflussen können_

  • Zufall: Sie stellten fest, dass selbst in einer Welt, in der Talent gleichmäßig verteilt ist, Glück der entscheidende Faktor für außergewöhnlichen Erfolg ist. Menschen mit durchschnittlichem Talent, die zur richtigen Zeit am richtigen Ort sind, können erfolgreicher sein als hoch talentierte Personen, die weniger Glück haben.

  • Exponentielles Wachstum durch Glück: Die Studie zeigt, dass ein kleiner anfänglicher Erfolg, der oft durch Zufall entsteht, durch Rückkopplungseffekte exponentiell wachsen kann. Diese Rückkopplungseffekte führen dazu, dass Erfolg weiteren Erfolg nach sich zieht, was den Einfluss von Glück weiter verstärkt.

  • Verzerrte Wahrnehmung von Erfolg: Viele Menschen, die erfolgreich sind, neigen dazu, ihren Erfolg hauptsächlich auf ihre eigenen Fähigkeiten zurückzuführen und die Rolle des Glücks zu unterschätzen. Dies führt zu einer verzerrten Wahrnehmung von Erfolg und einem Missverständnis darüber, wie soziale und wirtschaftliche Ungleichheiten entstehen.

Eigene Leistung oder Glück?

Studien belegen eindeutig, dass Erfolg oft der eigenen Kompetenz zugeschrieben, während Misserfolg als Folge unglücklicher Umstände betrachtet wird.

  • Es ist wie beim Fahrradfahren: Bei Rückenwind schreiben wir unseren Fortschritt unserer guten körperlichen Verfassung und unserem Training zu, bei Gegenwind schimpfen wir über die widrigen Bedingungen.

  • Übertragen auf die Finanzbranche bedeutet das: Boomt die Wirtschaft und steigen die Börsenkurse, wird der damit verbundene Erfolg oft als Ergebnis der eigenen Leistung betrachtet – und das schlägt sich lohnwirksam nieder. Dabei wird gerne übersehen, dass makroökonomische Trends und das Auf und Ab der Märkte äußere Einflüsse sind, auf die der Einzelne keinen Einfluss hat.

Wenn sich dann der Wind dreht und das Glück nachlässt, wird der fehlende Erfolg mit negativen „Sondereinflüssen“ erklärt, die angeblich wie Blitze aus heiterem Himmel eingeschlagen haben. Das Bilanzergebnis wird dann „bereinigt“, „normalisiert“ oder „adjustiert“, bis die Zahlen wieder in einem besseren Licht erscheinen.

  • Besonders aufschlussreich dabei: Solche Bilanzkosmetik tritt nach negativen Überraschungen viel häufiger auf als nach glücklichen Zufällen.

"The Random Factor: How Chance and Luck Profoundly Shape Our Lives and the World around Us" von Mark Rank (2024) untersucht die entscheidende Rolle, die Zufälligkeit in unserem Leben spielt. Rank, Professor an der Washington University, argumentiert, dass ein Großteil unseres Erfolgs oder Misserfolgs auf zufällige Ereignisse und Glück zurückzuführen ist, und nicht nur auf Verdienst oder Anstrengung.

Mythos Meritokratie

Der Begriff "Meritokratie" stammt aus dem Englischen und wurde erstmals von dem britischen Soziologen Michael Young in seinem 1958 veröffentlichten Buch "The Rise of the Meritocracy" geprägt. In diesem Buch verwendete Young den Begriff ursprünglich in einer eher kritischen und satirischen Weise, um ein hypothetisches Gesellschaftssystem zu beschreiben, in dem Macht und Privilegien ausschließlich auf Grundlage von Leistung und Intelligenz vergeben werden.

Wir wollen immer eine Leistungsgesellschaft sein, aber die Realität sieht leider anders aus, wie dies vor allem im Buch von Robert H. Franks. „Success and Luck: Good Fortune and the Myth of Meritocracy“, erläutert wird:

  • Mythos der Meritokratie: Die Vorstellung, dass allein harte Arbeit und Fähigkeiten den Erfolg bestimmen, ist ein Mythos. Viele erfolgreiche Menschen verkennen, wie stark äußere Faktoren zu ihrem Erfolg beigetragen haben.

  • Die Rolle des Zufalls: Erfolg ist häufig das Ergebnis von Glück und nicht ausschließlich von harter Arbeit und Talent. Zufällige Faktoren spielen eine entscheidende Rolle, etwa der Geburtsort, das soziale Umfeld oder günstige Gelegenheiten.

  • Systemische Ungleichheit: Das soziale und wirtschaftliche System bevorzugt bestimmte Individuen aufgrund von Umständen, die außerhalb ihrer Kontrolle liegen. Dadurch wird Ungleichheit verfestigt, was die Vorstellung einer echten Meritokratie untergräbt.

All diese Studien belegen, dass der Erfolg viel mehr dem Zufall, dem Glück oder auch den Kontakten zuzuschreiben ist. Aber gibt es nicht doch auch noch die Eirfahrung, dass Glück dem “Tüchtigen” zufällt oder auf den “Vorbereiteten”?

Serendipität

Serendipität (oder Serendipity auf Englisch) bezeichnet die Fähigkeit, durch glückliche Zufälle oder unerwartete Entdeckungen auf etwas Wertvolles oder Nützliches zu stoßen, ohne bewusst danach gesucht zu haben. Es geht darum, etwas Gutes oder Wichtiges zu entdecken, während man eigentlich nach etwas anderem sucht oder sogar gar nicht sucht. Der Begriff stammt aus einem alten persischen Märchen über „Die drei Prinzen von Serendip“, die ständig glückliche Entdeckungen machten, ohne danach zu suchen.

Berühmte historische Beispiele:

  • Penicillin: Alexander Fleming entdeckte das Antibiotikum Penicillin zufällig, als er bemerkte, dass in einer von ihm versehentlich kontaminierten Petrischale Bakterien um eine Schimmelkolonie herum abgetötet wurden.

  • Mikrowellenherd: Percy Spencer entdeckte die Mikrowellentechnologie zufällig, als er bemerkte, dass eine Schokoladentafel in seiner Tasche schmolz, während er an einem Radar forschte.

  • "Chance and the Prepared Mind: The Role of Serendipity in Scientific Discovery" (1994) von Pek van Andel hat untersucht, wie Serendipität eine Schlüsselrolle in wissenschaftlichen Durchbrüchen spielt. Der Begriff „der vorbereitete Geist“ wird betont, was bedeutet, dass Wissenschaftler in der Lage sein müssen, zufällige Entdeckungen zu erkennen und zu nutzen.

Im Grunde besagt dieses soziologische Phänomentdass Glück oft dem zufällt der darauf vorbereitet ist.

Persönliche Erfahrungen

Gerade das Phänoment der Serendipität kann ich aus eigener Erfahrungen bestätigen, egal in welcher Lebensphase. Ich habe eine Vision, gerpaart mit Leidenschaft und einem Traum, ich strenge mich sehr an, alles scheint unmöglich, dann auf einmal passiert es: es öffnet sich eine Tür und ich treffe jemanden zufällig, der Traum beginnt sich zu verwirklichen.

Auch die Ergebnisse der oben zitierten Studien kann ich aus eigener Erfahrung besätigen. Es sind nach wie vor die sogenannten “old boys connection” die zählen, wie oft habe ich erlebt dass öffenlichte Ausschreibungen zur Farce wurden, vor allem im halb öffentlichen Bereich wo Macht und Einfluss zählen. Nach wie vor sind Gewerkschaften, politische Vorfeldorganisationen oder andere Netzwerke tief in unserer Gesellschaft verankert, das hat sich offensichtlich auch nicht die letzten beiden Jahrzehnte geändert.

Ausblick

Ich bin davon überzeugt, dass sich dies in den nächsten Jarhzehnten ändern wird, einfach weil wir es uns nicht leisten können, in wichtigen Positionen nicht die besten Führungskräfte zu haben. Noch dazu ist die neue Generation auch nicht bereit, sich das gefallen zu lassen, sind viel weniger an diesen Netzwerken interessiert.

Bei unserer nächsten Lernreise ins Silicon Valley werden wir auch wieder erleben, wie es auch anders gehen kann. Social codes wie das neue Auto oder die schicke Uhr zählen dort nicht sondern einfach die Antwort auf die Frage, hast Du geliefert? Was ist Deine Leistung?

Das darf jeder für sich selber beantworten und sich fragen, ob er etwas leistet oder sich durch Netzwerke hat käuflich machen lassen. Und wenn jeder bei sich selber anfängt, dann wird die Schere zwischen Erfolg und Leistung in Zukunft nicht so groß sein, davon bin ich überzeugt.

Autor: Werner Sattlegger, Founder Art of Life

Literaturtips:

Veranstaltungstip: Nächste Lernreise ins Silion Valley, 14,-18.Oktober

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Autor: Werner Sattlegger
Founder & CEO Art of Life

Experte für digitale Entwicklungsprozesse, wo er europäische mittelständische Familien- und Industrie-unternehmen von der Komfort- in die Lernzone bringt. Leidenschaftlich gerne verbindet er Menschen und Unternehmen, liebt die Unsicherheit und das Unbekannte, vor allem bewegt ihn die Lust am Gestalten und an Entwicklung.

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