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Die einzige Konstante ist Veränderung

Seit Wochen lesen wir von Post Covid 19 Apologeten salbungsvolle Ratschläge, was wir nun alles aus der Krise lernen und nutzen sollten, damit Führungskräfte die nächsten Jahre erfolgreich bleiben. Das Problem ist nur, wir wissen nicht, was kommen wird, denn das ist das Merkmal von Unsicherheit und Ungewissheit. Vor allem ist es eine der wichtigsten Eigenschaften von Leben, denn Leben ist unsicher und ungewiss, wer das nicht wahrhaben will, der will das Leben nicht. 

Menschen halten das schwer aus, vor allem Führungskräfte sollen Sicherheit und Gewissheit garantieren, die es in lebendigen Systemen nicht geben kann. Technologisierung hat uns in den letzten Jahren Sicherheiten vorgetäuscht, wo es keine geben kann, das hat uns die Krise gezeigt. Wenn es keine Sicherheiten gibt, woran sollen wir uns orientieren 

Die Geschwindigkeit der Veränderung wird zunehmen

„Die einzige Konstante ist Veränderung“ hat nicht nur schon Buddha als einer der wichtigsten Lebensregeln ausgemacht, sondern ist eine der Sicherheiten, die aus der Krise mitgenommen werden kann. Einer aktuellen Umfrage des Managermagazins folgend (Heft 268, Seite 53) sehen Führungskräfte die Geschwindigkeit des Wandels wie folgt: 

  • 50 % der befragten Führungskräfte sagen, dass der Wandel nach der Pandemie stark zugenommen hat und noch viel schneller wird. 

  • 29% sagen, dass die Geschwindigkeit nur leicht zulegen wird.

  • 9% sagen, dass es genauso so schnell lauf als wie zuvor.

Wenn die Führungskräfte gefragt werden, welche Fähigkeiten und Kompetenzen auf Seiten der Führungskräfte nun für diesen Wandel nötig sind, haben sie folgendes angeführt: 

  • 90% sagen, dass es nun auf Kommunikation und Beziehungsfähigkeiten ankommt

  • 55% bestätigen Empathie als wichtige Kompetenz

  • 35% Integration

 

Die virulente Frage lautet: Wie gehen Sie als Führungskraft nun in diesem Wandel vor? Am besten nach Plan, lautet die Antwort des umsetzungsorientierten Change-Experten.

Als bislang bester bekannter Plan für den Wandel gilt der Stufenplan des Change-Papsts John P. Kotter. Dieser hat allerdings einen ganz dicken Hacken, so wie alle anderen Pläne: sie funktionieren nicht. Das haben viele Studien belegt, der Geheimplan für den Wandel, den gibt es nicht. 

Vor allem nicht für die Kernkompetenz, die nun gefragt ist – der Beziehungsfähigkeit

Aber es gibt Erfahrungen und Phänomene, eines davon ist die Resonanz, die gerade in Veränderungsprozesse relevant sind. Ein spannender Zugang für das Gelingen von Wandlungsprozessen ist die Resonanz Theorie des Soziologen Harmut Rosa.  

Den Begriff der Resonanz wurde aus der Physik, genauer der Akustik, entlehnt. Beispielsweise löst die Eigenschwingung einer Saite auch im Klangkörper der Geige eine Eigenschwingung aus. Sie reagieren aufeinander, und ähnlich verhält es sich in Beziehungen - beide Seiten erfahren sich als selbstwirksam. Dann besteht die Möglichkeit eines Resonanz-Erlebnisses: Glück, Freude an der Arbeit, Energie, Flow – die eigene Selbstwirksamkeit wird in der Reaktion des anderen erfahren, ein Gefühl des gemeinsamen Gelingens stellt sich ein. 

Führungskräfte in tief gehenden Veränderungsprozessen müssen bereit sein, kontinuierlich in offenen Austausch mit ihren Mitarbeitenden zu gehen, der auf einer gelungenen Beziehung aufbaut. Das bedeutet nicht das Fehlen von Konflikten oder Sozialromantik, wo sich alle nur „liebhaben“. Nein es bedeutet in Resonanz zu gehen, die Widerstände und Ängste der Mitarbeiter ernst zu nehmen, mitzuschwingen und sich nicht hinter Mails und Konzepten zu verstecken. 

 

Was sind die Grundvoraussetzungen Beziehungsfähigkeit?

Wer in mechanistischer Manier versucht, zwischenmenschliche Resonanz nach kausalen Prinzipien zu erzwingen, läuft absehbar ins Leere.  

  • Offenheit

Paradoxerweise erreicht Resonanz nur, wer eine (weitgehend) ergebnisoffene, absichtlich-absichtslose Haltung einnimmt, ganz im Sinne des Zen-Ratschlags „Treffe, ohne zu zielen“. Das bedeutet, Resonanzen Räume zu eröffnen, nicht aber Resonanzen „erzeugen“ zu wollen, weder bei einzelnen Maßnahmen noch im gesamten Prozess. 

  • Eigenverantwortliche Teams

Das könnte heißen, dass Führungskräfte zu Beginn keinen fertigen Stufenplan mit festen Meilensteinen vorlegen, sondern die Eigenorganisation des jeweils von der Veränderung betroffenen Teams fördern. Das Team selbst legt die Ziele für den nächsten Schritt fest, der Changemanager oder die Führungskraft agieren als Enabler. Auch hier gibt die Führung ein Stück weit Kontrolle ab – das Ergebnis verspricht jedoch nachhaltigere Veränderung, weil sie die Beziehungsebene verändert.

  • Anpassungsfähigkeit

Es bedeutet situativ und den Umständen entsprechend adaptionsfähig und anpassungsfähig zu sein, Mitarbeiterinnen zu vertrauen und nicht im Mikromanagement sich in alles einzumischen. Es bedeutet aber trotzdem als Führungskraft präsent zu sein, offen und transparent zu kommunizieren, vor allem Abweichungen von vereinbarten Resultaten zu konfrontieren. 

 

Ergebnis ist die Magie des Teams - Flow

In jeder menschlichen Tätigkeit gibt es einen Punkt oder einen Zustand, wo Menschen sich am Wohlsten fühlen und gleichzeitig das Beste zu leisten vermögen. Dieser Zustand wurde in der westlichen Welt durch den Glücksforscher Mihaly Csiksentmihalyi[1] mit dem Begriff des „Flows“ bekannt.  In den anderen Untersuchungen wird dieser Zustand „in the zone“ oder „peak experience“ genannt. Ein Zustand, wo die Konzentration so hoch ist, dass alles andere verschwindet, Handlung und Achtsamkeit verschmelzen, das Selbst und Zeitgefühl verschwindet. Ein Gefühl der Stimmigkeit, man weiß genau was zu tun ist, ohne zu nachzudenken, zu planen und zu analysieren. Jeder Mensch kennt diesen Zustand, meistens nicht von der Arbeit, sondern von Tätigkeiten in der Freizeit wie Sport, Kochen oder kreativen Tätigkeiten. 

Man weiß aus der Flowforschung, dass Menschen diesen Zustand erreichen, wenn sich Tätigkeiten mit Fähigkeiten decken und eine leichte Überforderung stattfindet. Führungskräfte haben die Auflage, MitarbeiterInnen zu einem größeren Ganzen zu führen, indem jeder Mitarbeiter seinen Platz hat und seine Potentiale entfalten kann. 

Qualitätsvolle Beziehungen in einer Organisation zu ermöglichen und zu fördern, ist eine der wichtigsten Aufgaben für Führungskräfte im digitalen Wandel. Wenn dies möglich wird, dann braucht man sich über Erfolg im Wandel oder Pläne keine Gedanken machen, denn dann kann er von alleine entstehen, spielerisch und leicht. 

[1]    Csikszentmihalyi, „Flow im Beruf“, 2004


Autor: Werner Sattlegger
Founder & CEO Art of Life

Experte für digitale Entwicklungsprozesse, wo er europäische mittelständische Familien- und Industrie-unternehmen von der Komfort- in die Lernzone bringt. Leidenschaftlich gerne verbindet er Menschen und Unternehmen, liebt die Unsicherheit und das Unbekannte, vor allem bewegt ihn die Lust am Gestalten und an Entwicklung.

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