Art of Life

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Blind Spot of Leadership

Persönliches Wachstum in Krisenzeiten

Die Krise rüttelt an vielen selbstverständlich gewordenen Gewohnheiten, dies ruft ein Gefühl des Kontrollverlusts und Unsicherheit hervor. Das Ergebnis ist Angst in Form einer Diffusität oder steigenden Belastungen, die Hälfte der Menschen in Organisationen nehmen das heute so wahr. Manche üben sich daher in Durchhalteparolen oder in altklugen Ratgebern wie z.B. „die Krise als Chance nutzen“ – das alles hilft aber reichlich wenig und nervt.

Aber wir können vielleicht gerade jetzt lernen Herausforderungen anzunehmen, auf die wir nicht gewartet haben, mitzuschwingen und vielleicht daran auch zu wachsen, was wir vielleicht nicht vor hatten. Das Leben gleicht gerade jetzt oft einer Heldenreise nach Joseph Campbell (“ Heros in tausend Gestalten”), wir treffen auf herausfordernde Situationen, oft nicht einfach, unvorhersehbar und schwierig. Wir wünschen uns diese auch nicht, aber am Ende des Tages können wir vielleicht daran reifen und wachsen, trotz vieler Ängste.

Blind Spot of Leadership

Gerade Führungskräfte sind heute gefordert, befinden sich in vielen Spannungsfeldern. Gleichzeitig sind sie oft unbewusst im Mittelmanagement verstrickt und in verschiedenen ”Situationen gefangen und abhängig”. Otto Scharmer formulierte den Begriff „blind spot of leadership“, Führungskräfte erkennen in solchen Situationen oft nicht ihre blinden Flecken. Das bedeutet ein Verhalten, das einem persönlich nicht bewusst ist, anderen Menschen aber schon. Wenn es noch mit dem Hybris Syndrom zusammenfällt, der korrumpierenden Kraft von Machtpositionen, dann kann emotionaler und ökonomischer Flurschaden angerichtet werden.

Je höher Führungskräfte in der Karriereleiter nach oben klettern, je öfter sind sie in der Blase der Eitelkeit gefangen, verlieren den Boden der Realität und sind nicht zur Selbstreflexion fähig.  Diese ist aber gerade in Zeiten der Unsicherheit und Krise essentiell, denn nur wenn ich weiss wo ich persönlich stehe, mein Verhalten und dessen Auswirkungen kenne, kann ich andere Menschen in eine neue Richtung führen.

Ein Entwicklungsschritt wäre Bewusstheit als Erfahrungsdimensionen, die das gesamte Spektrum von Handlungen, Empfindungen oder Gefühlen einbezieht. Wie mit einer Taschenlampe, die in der Dunkelheit etwas sucht, geht es in der Selbsterkenntnis um eine höhere Bewusstheit über das eigene Verhalten. Dies fördert Selbsterkenntnis und ermöglicht persönliches Wachstum und Entwicklung. Oft sind Beziehungen Orte für diese “blinden Flecken”, wo man gerne unerledigte Konflikte oder unerfüllte Bedürfnisse verdrängt und nicht darüber spricht. Das kann gerade in Veränderungsprozessen - besser Entwicklungsprozessen - negative Auswirkungen haben. Denn in gut ausgetragenen Konflikten, sprich Reibungen, liegen große Wachstumspotentiale, jeder der sich mit Innovation beschäftigt weiss das.

Das ich erfährt sich über das Du” hat uns schon Martin Buber in das Stammbuch geschrieben, daher kann diese Form der Selbsterkenntnis nicht im Lesen von Büchern oder im Besuch von Seminaren stattfinden. Noch helfen Meditationen oder sonstige gute gemeinte Aktivitäten, sondern oft reicht der schlichte, ehrliche, ungeschminkte und manchmal konfrontative Austausch mit anderen Menschen, wenn eine Ebene hinzukommt: ich kann mich selber, mein Tun und mein Handeln beobachten und hinterfragen.

Wie wir unsere Potentiale blockieren

Mit Entstehen der humanistischen Psychologie wurde der Begriff der Neurose auf alle ungelösten, intrapersonellen Konflikte erweitert, die uns in unserem persönlichem Handlungsspielraum behindern und unser Wachstum blockieren. Die grundsätzliche Annahme ist, dass Menschen sich vor allem selber blockieren und sich sehr erfolgreich selber am Wachstum hindern, damit ihre Potentiale nicht leben. Der durchschnittliche Mensch lebt oft nur zwischen 5% und 15% seines Potentials. Ich nenne jeden Menschen neurotisch, der seine Kraft darauf verwendet, andere zu manipulieren und sich weigert, selbst zu wachsen“. (Fritz Perls)

Die Gründe für die brachliegenden Potentiale liegen vor allem in der Anpassung an Klischees und das Erfüllen von Erwartungen anderer Menschen, das Spielen von krankmachendenden Rollen und Verhaltensmustern, die individuellen Dramen und Lebenskonflikte, die nicht gelöst sind. Diese Dramen sind unterschiedlich: die einen wollen entweder geliebt werden, die anderen vermeiden Ablehnungen, die anderen wollen immer den Dominanten spielen, alle Muster eint ein hoher Grad an Unfreiheit der eigenen Handlungsspielräume.

Selbsterkenntnis

Ein Leben in Selbsterkenntnis bedeutet aber auch die dunklen Seiten und Krisen anzunehmen, aber wer will das schon? Wir wollen in einer Zeit der Selbstoptimierung und Gewinnmaximierung die guten Zeiten des Erfolges ausdehnen und die schlechten Zeiten vermeiden.

Aber ich habe die Erfahrung gemacht, dass Dinge gerade in Zeiten der Krise reifen können, wie ein Samenkern für das zukünftige Wachstum. Ich möchte an dieser Stelle nicht falsch verstanden werden, ich sehne mich auch nicht nach schlechten Zeiten. Im Rückblick war aber eine Krisenzeit für mich immer das Beste was mir passiert ist, nur konnte ich es in der Krisenzeit nicht erkennen. Es war und ist immer eine sehr fruchtbare Zeit, fast in Form einer Inkubation. Für Unternehmen und Führungskräfte bedeutet es nicht die Krise als “Chance zu nutzen”, sondern zu vertrauen, in der Unsicherheit Orientierung geben, Dinge auch geschehen zu lassen ohne alles “machen” zu müssen, dem Unvorhersehbaren Raum zu geben, vielleicht kann dann sowas wie “Serendipität” entstehen.

Serendipität - etwas Bedeutendes entdecken, ohne danach gesucht zu haben

Es sind diese zufälligen Beobachtungen, die im Alltag immer wieder stattfinden, man hat was gesucht und findet etwas anderes. Das kann sich als neue und überraschende Entdeckung erweisen, die auch völlig bahnbrechend sein kann. Beispiele in der Geschichte gibt es genug: sei es die Entdeckung Amerikas, der Röntgenstrahlen, des Penicilins oder des Sekundenklebers, um nur einige zu nennen. Mit all den Möglichkeiten der Künstlichen Intelligenz oder den Entdeckungen der Neurowissenschaft stehen wir an der Schwelle zu einer neuen Ära von Entdeckungen und Fortschritten. Ich bin davon überzeugt, dass gerade die Krise dafür ein Turbo sein wird, wenn wir nicht in starrem Denken und alten Mustern feststecken.

Dies wird aber nur gelingen, wenn wir in Organisationen Verantwortung übernehmen, für das eigene Tun, Handeln und die eigene Entscheidungen. Aber Menschen lieben die Opferrolle, sehen nicht ihren Handlungsspielraum und sehr schnell sind Schuldige da: der Vorstand, der Geschäftsführer, der Kunde, die Lieferanten, die schlechte Marktlage - was auch und wo auch immer. 

Menschen in Organisationen wollen nicht Ihren Handlungsspielraum sehen, haben Furcht vor der Verantwortung und üben sich lieber in Konformität bzw. Anpassung. Es gibt viel zu verlieren, den Ruf, Prestige, Karriere oder überhaupt den Job. Das um was es geht ist aber Selbsterkenntnis, dass man “selber die Karten verteilt”, dass man persönlich die Entscheidungen trifft und dafür Verantwortung übernimmt.

Führungskräfte haben in Organisationen die Aufgabe, solche Räume für Selbsterkenntnis und Eigenverantwortung zu schaffen, um nicht im “blind spot” als Autopilot gefangen zu bleiben.

Ich kann daher gerade jetzt in Zeiten der Unsicherheit folgendes unterstreichen: Führungskräfte und Organisationen tun gut daran, sich mit den Möglichkeiten der Selbsterkenntnis und Eigenverantwortung vertraut zu machen.

Dann können sich Menschen in Organisationen gerade in Krisenzeiten weiterentwickeln, was sich am Ende des Tages oft als dankbares Geschenk erweist, was auch noch viel Freude bereitet.

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Literaturtipps

Fritz Perls: "Grundlagen der Gestalttherapie, Einfühung in Sitzungsprotokolle“
Fritz Perls:“ Gestalttherapie in Aktion"
Erich Fromm: "Die Furcht vor der Freiheit“
Barry Stevens: “Don’t push the river


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Autor: Werner Sattlegger
Founder & CEO Art of Life

Experte für digitale Entwicklungsprozesse, wo er europäische mittelständische Familien- und Industrie-unternehmen von der Komfort- in die Lernzone bringt. Leidenschaftlich gerne verbindet er Menschen und Unternehmen, liebt die Unsicherheit und das Unbekannte, vor allem bewegt ihn die Lust am Gestalten und an Entwicklung.

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